Kroatien/Slowenien/Österreich 2023

Drei Wochen Ferien liegen vor uns. Wir haben lange überlegt, wie und wo wir sie verbringen wollen.

Am liebsten würden wir nach Armenien reisen um ein paar Tage lang Caro und Jasi unterwegs zu sein. Aber der Gedanke daran, auf rund 2000 Metern über Meer zu zelten und zu frieren, und die Tatsache, dass es in dieser Gegend ganz offensichtlich sehr häufig regnet – schüttet – hat uns schliesslich von diesen Plänen abgebracht.

Natürlich hoffen wir, dass wir die beiden irgendwann wieder besuchen können. Wenns geht, in wärmeren Gefilden.

Dann ist da noch Retos Onkel Ruedi und seine Frau Carmen. Sie wohnen in Polàn, einem Dorf in der Nähe von Toledo, und sie wünschen sich sehr, dass wir sie bald besuchen. Der sintflutartige Regen vor zwei oder drei Wochen hat ihnen den Keller geflutet, und Ruedi hat uns herzlich eingeladen, ihnen beim Schlamm rausschaufeln zu helfen.

Hätten wir auch gemacht, wenn nicht schon wieder Regen angesagt wäre.

Irgendwie ziehts uns wieder nach Osten. In Albanien hatten wir so eine gute Zeit, und es interessiert uns sehr, wie es in anderen Balkanländern aussieht. Ausserdem würden wir gern mal mit einem Nachtzug reisen.

Da bietet sich Zagreb geradezu an – um 19.40 Uhr in Zürich einsteigen, anderntags um 11.40 in Zagreb wieder raus. Das klingt verlockend. Das machen wir!

Montag, 18. September

Heute gehts los! Um zwanzig vor neun am Abend fährt der Nachtzug in Zürich ab, wir haben ein ganzes Sechserabteil für uns reserviert. Und wir sind froh darum, das Abteil mit niemandem teilen zu müssen. Schon zu zweit ist es relativ eng, solang man nicht auf seiner Pritsche liegt.

Wir sind aufgeregt und glücklich, unterwegs zu sein. Im Bahnhof Zürich haben wir uns mit Proviant eingedeckt, zudem haben wir zuhause noch Sandwiches gemacht. So essen wir nun gemütlich Znacht und geniessen die Reise.

Dienstag, 19. Oktober

Die Pritschen sind zwar hart und unbequem, trotzdem können wir ein paar Stunden schlafen. So bekommen wir von der Reise durch Österreich nicht viel mit. Erst in Slowenien wage ich einen Blick nach draussen. Es ist schon hell, die Landschaft ist lieblich. Wir könnten genauso gut durch die Schweiz fahren.

Es gibt allerdings etwas sehr Unschweizerisches an der Strecke: Eine Art Gestell mit einem kleinen Dach und mit vielen Querstreben aus Holz. Wir rätseln, wofür die Dinger gut sein könnten. Etwas zum Trocknen aufhängen? Scheint uns unwahrscheinlich, denn das Dach ist so schmal, dass das Trockengut sicher bei jedem Regen wieder nass wird.

Erst ein paar Tage später werden wir herausfinden, dass die Gestelle „Heuharfen“ genannt werden, oder auf Slowenisch Kozolci. Und dass sie tatsächlich dazu dienen, Heu zu trocknen. Oder Mais, oder Getreide. Offenbar funktioniert das.

Kurz vor elf kommen wir in Zagreb an, verlassen unser Abteil,

den Bahnhof

und sind gespannt auf die Stadt!

Wir nehmen es gemütlich, schlendern vom Bahnhof Richtung Innenstadt und genehmigen uns in einem der vielen kleinen Cafés am Strassenrand einen Espresso. Über Ricardo buchen wir für zwei Nächte eine Wohnung, die laut Beschreibung ab 14 Uhr bezogen werden kann. Und dass uns jemand an der angegebenen Adresse zur Schlüsselübergabe treffen wird. Ich schreibe der Vermieterin eine Mail und kündige unsere Ankunft auf 14 Uhr an. Dass ich keine Antwort erhalte, beunruhigt uns nicht weiter.

Wir picknicken auf einer Bank vor dem Nationaltheater, einem imposanten Gebäude

und nehmen einen ersten Augenschein von der Altstadt. Und pünktlich um 14 Uhr stehen wir vor der Tür des Hauses, hinter der unsere Wohnung auf uns wartet,

Es ist ein altes, recht herrschaftliches Haus mit einer imposanten Eingangstür. An dieser klebt ein Zettel, dessen Inhalt wir mit Google übersetzen. Die Bewohner*innen werden darauf aufmerksam gemacht, dass an verschiedenen Stellen, wohl im Treppenhaus und im Keller, Giftköder ausgelegt werden, um die Ratten in der Stadt zu dezimieren. Man solle diese nicht berühren und dafür sorgen, dass die Kinder sie nicht aufessen. Oder so.

Es wird viertel nach eins, es kommt niemand. Dann rufe ich halt an. Eine Frau nimmt ab, ist völlig überrascht. Offensichtlich hat sie von der Buchung nichts mitbekommen. Sie sei in 10 Minuten da, sagt sie. Und als sie kommt, sagt sie, die Wohnung sei noch nicht bereit. Um halb sechs könnten wir sie beziehen.

Kein Problem, wenn wir schon mal unsere schweren Rucksäcke da lassen können.

So machen wir uns mit leichtem Gepäck auf, die Stadt zu erkunden.

Viele alte Villen säumen die Strasse, viele sind in schlechtem Zustand und sehen unbewohnt aus. Einige werden renoviert, bei anderen scheint es schon zu spät zu sein, Gebäudeteile sind bereits zerfallen, Dächer eingestürzt. Schade um die einstmals so schönen, herrschaftlichen Häuser!

Aber auch diese zerfallenden Villen haben einen ganz eigenen Charme, bei zwei oder drei trauen wir uns, das Grundstück zu betreten, das Haus aus der Nähe anzuschauen und sogar darum herum zu gehen.

An einigen Gebäuden warnen sogar Schilder vor herabfallenden Fassadenteilen.

Später kommen wir in ein Quartier, in dem die Botschaften verschiedenster Länder ihren Sitz haben. Je nach Land sind es eher unscheinbare Häuser, wo nur ein Schild am Eingang verrät, dass es ein Botschaftsgebäude ist. Andere werden schwer bewacht, man fürchtet sich beinahe, beim Vorbeigehen auf der selben Strassenseite zu bleiben.

Einen Teil des Rückwegs legen wir in einem Tunnel zurück. Er ist nicht allzu lang, hat aber mehrere Abzweigungen. Die meisten sind gesperrt; so können wir uns wenigstens nicht verlaufen,

Hier gehts rein…

Und schliesslich wird es halb sechs Uhr, und wir können unsere erste Wohnung beziehen. Sie ist recht gross, modern, gut eingerichtet. Schön!

Mittwoch, 20. September

Zagreb hat einen botanischen Garten – diesen wollen wir selbstverständlich besuchen. Ein schöner alter Park erwartet uns, scheints ist der älteste Teil der Anlage rund 150 Jahre alt. Leider blüht nicht mehr viel. Logisch, es ist Herbst.

Das Positive daran:Man kann jede Menge Samen sammeln. Oder gleich ganze Früchte, zum Beispiel im Teil mit den Gemüsen. Da hats ein ganzes Beet mit den verschiedensten Chilis in allen möglichen Farben.

Wir versuchen, möglichst unauffällig zwei oder drei Chilis zu pflücken und einzustecken. He ja, wir sind in einem Botanischen Garten. Die Pflanzen gehören jemandem, und der oder die könnte durchaus etwas dagegen haben, wenn sich die Besucher*innen einfach bedienen.

Da kommt eine Gruppe Frauen angeschlendert, die eine redet unablässig. Offenbar ist sie Gärtnerin und arbeitet hier, und sie deckt ihre Begleiterinnen mit Informationen über die Pflanzen ein, an denen sie vorbeigehen. Und: Die Frauen halten Pflanzenteile in den Händen, die sie von der Gärtnerin erhalten haben. Diese reisst unbekümmert mal hier, mal da etwas aus und übergibt alles ihren Begleiterinnen. Ob es auch Gärtnerinnen sind, vielleicht von anderen Botanischen Gärten, denen sie die Pflanzen zur Weiterzucht überlässt?

Die Gruppe ist bei den Chilis angelangt, und da die Gärtnerin englisch spricht, können wir das Gespräch mitverfolgen. Sie zeigt auf die allerschärfsten Chillis (eine oder zwei Millionen Scoville),

sagt, wenn „Trinidad“ auf dem Schild steht, sind sie immer unheimlich scharf. Sie erzählt auch von Wettbewerben, al denen Leute einander gegenseitig zu übertrumpfen versuchen, indem sie Mengen solcher ultrascharfer Chilis essen – immer begleitet von Medizinern, die im Notfall eingreifen können.

Inzwischen hat sie auch uns ins Gespräch miteinbezogen, pflückt Früchte und gibt sie uns. Wir schliessen daraus, dass es kein Problem ist, wenn man sich selber bedient, und greifen herzhaft zu. Und weil einige Früchte recht giftig aussehen, frage ich die Gärtnerin, ob denn auch alle essbar seien.

Ihre Antwort: „Du kannst alles essen, die Frage ist nur, ob du es überlebst!“ Lacht, und zieht mit ihren Begleiterinnen weiter.

Wilde Chilis hats übrigens auch, das sind ganz kleine runde Beeren.

Der Besuch des Botanischen Gartens hat sich definitiv gelohnt. Zum Einen wegen der Ausbeute an Samen, zum Anderen, weil es einfach ein schöner, lauschiger Ort ist, mit vielen alten Bäumen, exotischen Pflanzen, ja, in einem Teich entdecken wir sogar eine Wasserschildkröte.

Ein zweiter Ort, den wir in Zagreb unbedingt besuchen wollen, ist der Mirogoj-Friedhof. Wikipedia verrät uns, dass der multikonfessionelle Zentralfriedhof mit einer Fläche von knapp 72,4 Hektar der grösste Friedhof Kroatiens sei. Er liegt etwas ausserhalb auf der anderen Seite der Stadt. Ein paar Kilometer sind es schon, aber selbstverständlich gehen wir zu Fuss hin.

Das ist auch eine gute Gelegenheit, den Charakter der Stadt etwas besser mitzubekommen, die Atmosphäre, die Architektur…

Irgendwie finden wir Zagreb, auch wenn die Stadt zweifellos sehr gross ist, heimelig. Viele schöne alte Häuser, allerdings zu einem guten Teil in sehr renovierungsbedürftigem Zustand. Vor allem die Fassaden bröckeln an vielen Häusern, zum Teil werden sie notdürftig geflickt, andere werden in ihrem Zustand belassen. Wir fragen uns, ob es an der verschmutzten Luft liegt, die den Verputz anbgreift, oder an den Erdbeben, die sich halt hier immer wieder ereignen. Jedenfalls machen auch diese verwitterten Häuser einen grossen Teil des Charmes der Stadt aus.

Da und dort werden die Fussgänger sogar vor herabstürzenden Teilen gewarnt

(zu Deutsch: „Gefahr durch Wandeinsrurz“ (Google-Übersetzung))

Anders als all diesen unrenovierten Häusern ergeht es den vielen Kirchen und Kirchlein der Stadt. Wir spazieren an einigen vorbei – alle sind eingerüstet, von Bauzäunen und Bauarbeitern umgeben. Eine von ihnen besichtigen – unmöglich.

Das heitsst: Doch, es gibt sie, die Ausnahmen. Bei einer Kirche in einem Aussenquartier steht die Türe offen, und wenn man sich zwischen den Gerüststangen für die Fassadenrenovierung hindurchquetscht, schafft man es zum Eingang. Die Bauarbeiter haben wohl grad Pause, jedenfalls treffen wir niemanden, der uns aufhalten kann.

Das Innere der Kirche ist durchaus interessant…

…so richtig hinein trauen wir uns dann aber doch nicht.

Und an einer Strassenecke entdecken wir tatsächlich eine Kapelle, deren Renovation wohl bereits abgeschlossen ist. Kein Gerüst, kein Bauzaun, nichts. Sie steht einfach da.

Auch die Bischofskirche von Zagreb, wohl eines der Wahrzeichen der Stadt, ist eine grosse Baustelle. Und Wikipedia liefert uns des Baustellenrätsels Lösung – und auch den Grund für die vielen beschädigten Fassaden: Im März 2020 ereignete sich ein starkes Erdbeben mit Epizentrum wenige Kilometer nördlich der Stadt, bei dem der Zagreber Dom und etliche andere Gebäude stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Mehr als 26000 Gebäude wurden beschädigt, rund 1900 sogar unbewohnbar.

Schade, dass wir den Dom nicht von innen besichtigen können. Aber mit den riesigen Gerüsten an beiden Türmen ist er irgendwie auch eine spezielle Erscheinung.

Auch die farbenfrohe St. Markuskirche ist nur von Weitem zu besichtigen.

Bei dieser Kirche fällt uns eine Touristengruppe auf, die offenbar an einer Stadtführung teilnehmen.

Schräg! Aber scheinbar gilt: Nur ja keinen Meter zu Fuss gehen. Und keine Zeit mit Spazieren verplempern.

Nun aber zu unseren Ziel, dem Friedhof. Schon von Weitem staunen wir über die imposante Friedhofsmauer, oder genauer: die Arkaden, die den Friedhof umgeben und die viele alte Gräber beherbergen.

Fast ehrfürchtig treten wir ein, und passend zur Atmosphäre hören wir in der Nähe eine laute, monotone Stimme, die, wie wir vermuten, ein Klagegebet aufsagt. Offenbar ist da gerade eine Beerdigung im Gange.

Schon nur die Arkaden mit ihren vielfältigen Grabstätten dürfte einen Tagesausflug wert sein.

Betreten darf man sie leider auch nicht; auch sie sind mit Bauzäunen abgesperrt. Wegen Einsturzgefahr?

jedenfalls gibt es auch Stellen, die mit Holzgerüsten gestützt werden.

Am Friedhofeingang bleiben wir kurz bei einem Schild stehen, das darüber orientiert, wo man die Gräber bekannter Persönlichkeiten findet. Und sagen die Namen allerdings nichts.

Ich spüre etwas an meinen Beinen und schaue nach – sie sind voller schwarze Punkte. Mücken! Mit einem Schlag töte ich locker ein Dutzend Tiere und wäre damit eine ernstzunehmende Konkurrenz für das tapfere Schneiderlein. Die Viecher werden wir während des Rundgangs über den Friedhof nicht mehr los, und sie werden auch ein Grund dafür sein, dass wir letztendlich weniger von der Anlage gesehen haben als wir ursprünglich im Sinn hatten.

Aber vorläufig halten uns die Plagegeister nicht davon ab, durch die Grabreihen zu spazieren, Namen zu entziffern und Fotos zu machen. Wie sind im überwiegend jüdischen Teil des Friedhofs gelandet und können vieles nicht lesen. Google übersetzt einiges für uns.

Zur Hauptsache geht es uns aber darum, die verschiedenen Gräber zu bestaunen.

Wir kommen zum Weg, der zur grossen Kuppel in der Mitte der Arkaden führt. Von Weitem sehen wir, dass vor dem Gebäude ein besonderes Grabmal sein muss.

und tatsächlich:

Franjo Tuđman, 1990 bis 1999 Staatspräsident von Kroatien.

Irgendwann haben wir genug von den vielen Mücken und verlassen den Friedhof mit dunkel gesprenkelten Beinen – gesprenkelt von unzähligen Leichen erschlagener Mücken. Kaum sind wir draussen, hats auch keine Mücken mehr. Der Waldcharakter des Friedhofs bietet offensichtlich den optimalen Nährboden für die lästigen Blutsauger.

Donnerstag, 21. September

Heute ist ein Reisetag. Wir wollen ans Meer, nach Zadar. Wir hoffen, dass die Stadt weniger von Touristen überlaufen ist als beispielsweise Split oder Dubrovnik, wo sich scheints Game of Thrones- und StarWars-Fans auf den Füssen herumstehen. Und im Hinterland gibt es sicher einige schöne Wanderziele.

Also verabschieden wir uns von Zagreb und pilgern zum Busbahnhof, steigen in einen Flixbus und fahren nach Zadar, natürlich nicht, ohne unterwegs eine Kaffeepause einzulegen und in einer Bäckerei Proviant für unterwegs zu kaufen.

Denn die Fahrt ist ziemlich lang. Knapp vier Stunden sitzen wir im Bus, unterwegs schüttet es wie aus kübeln. Zum Glück sind wir am Schärme…

In Zadar ist das Wetter wieder ganz anständig, sogar richtig sonnig.

Der Weg vom Busbahnhof zu unserer Wohnung ist lang und wenig attraktiv. Bis zur Altstadt müssen wir einer Hauptstrasse entlanggehen, nachher ist die Strecke nur wenig ruhiger. Die Wohnung, die wir über Booking reserviert haben, liegt etwas oberhalb der Altstadt, vielleicht zehn Minuten zu Fuss. Wir fürchten schon, das Haus stehe unmittelbar an der lärmigen Hauptstrasse. Aber wir haben Glück: Offenbar wurde der Strassenverlauf vor ein paar Jahren geändert, und „unser“ Teil, der ursprünglich ein Teil davon war, ist nun quasi stillgelegt.

Unsere Vermieterin Bruna, eine junge Frau, heisst und herzlich willkommen, und zeigt uns als Erstes, womit die und ihre Familie gerade beschäftigt sind: Sie haben Trauben geerntet und „machen“ nun Weisswein. Der Vater, der Bruder, der Cousin und Kollegen: Alle sind hier, um zu helfen.

Morgen wollen sie dann noch den Roten vorbereiten.

Wir wollen uns jetzt aber erst einmal die Wohnung ansehen. Sie ist gross, hat ein Wohnzimmer, eine Kochecke und ein Schlafzimmer. Die Einrichtung ist zum Teil in die Jahre gekommen, und die Küche ist nur rudimentär eingerichtet. Aber für ein paar Tage reicht es längst. Wir freuen uns, hier wohnen zu dürfen.

Bevor es Abend wird, erkunden wir noch ein wenig die Gegend, schauen, wo wir einkaufen können. Es hat reihenweise Läden, winzig kleine und recht grosse Supermärkte. Wir kaufen ein paar Lebensmittel ein und gehen dann in die Altstadt,

Bruna hat uns auf einem Stadtplan gezeigt, wo der schönste Sonnenuntergang Kroatiens zu sehen sei: Schnurstracks durch die Stadt und ans Meer, wo man zu den kleinen Inseln hinüber sieht.

Wir müssen uns ziemlich beeilen, gleich geht die Sonne unter. Und als wir zum berühmten Sonnenuntergangsplatz kommen, sind wir (natürlich) nicht allein. Gefühlt alle Touristen, die sich in der Nähe von Zadar aufhalten, sind ans Meer gepilgert und gucken in die Sonne.

Die Stimmung ist wirklich schön. Und – Absicht oder nicht? – genau am richtigen Ort dümpelt ein Segelschiff vor der Küste. Ein superkitschiges Foto ist garantiert.

…aber nur, wenn man sich ganz nah ans Meer drängelt. Geht man ein paar Schritte zurück, ist das Bild nicht mehr ganz so idyllisch.

Vom Meer her klingen seltsam-schaurige Klänge. Bruna hat uns davon erzählt: Unter den Stufen zum Wasser ist eine „Meeresorgel“ installiert, die je nach Wellengang lauter, leiser, mit mehr oder weniger Tönen vor sich hin orgelt.

Google verrät uns, dass sie vom Architekten Nikola Bašić erfunden wurde. Ein System aus Kunststoffrohren und Resonanzkörpern ist unter den Betonplatten angebracht. Die Meeresorgel gibt es seit 2005, damals wurde die Uferpromenade neu gestaltet.

Gleich nebenan befindet sich ein weiteres Werk von Nikola Bašić, der „Gruss an die Sonne“. Eine kreisförmige Lichtkonstruktion im Boden, rund 22 Meter im Durchmesser. Vor allem die Kinder freuen sich, auf den bunten Lichtern herumzuhüpfen.

Beim genaueren Hinsehen ist der Sonnengruss nicht der einzige Lichtkreis an der Riva (so heisst der Ort): Das ganze Planetensystem ist an der Promenade aufgereiht. Nicht sensationell, aber hübsch.

Auf dem Rückweg durch die Altstadt müssen wir feststellen, dass längst nicht alle Touristen an der Riva sind. Die Stadt ist proppenvoll, und auch dementsprechend „eingerichtet“, eine Beiz reiht sich an die andere, und die Lücken sind mit Souvenirläden aufgefüllt. Da vergeht uns die Lust am Flanieren. Wir finden einen Lebensmittelladen, kaufen dort Eier und gehen zurück in die Wohnung, Znacht kochen. Den Salat richten wir in einer Pfanne an – Schüssel gibts keine. Egal, Hauptsache, wir haben einen Behälter.

Zum Salat gibts Spiegeleier und Brot. Ein Festmahl!

Freitag, 22. September

Im Hinterland von gibts eine ganze Menge schöne Orte, Naturparks, Schluchten, Berge, Seen… an Möglichkeiten, wandern zu gehen, fehlt es also nicht. Das Problem ist nur: Wie kommen wir da hin? Die coolen Orte sind 30 und mehr Kilometer entfernt.

Wir studieren Busfahrpläne – einen Zug gibts hier nicht – und stellen fest: Es gibt zwar Busse, aber die meisten fahren zweimal am Tag. Morgens in aller Frühe hin, gegen Abend wieder zurück.

Vor allem den Gedanken, morgens schon vor sieben Uhr zum Bus zu müssen, finde ich alles andere als prickelnd. Ich geniesse es, bis gegen acht im Bett zu bleiben, dann gemütlich zu „zmörgele“. Zudem fahren die Busse vor allem zu den ganz berühmten Nationalparks wie Krka oder die Plitvicer Seen. Den Fotos im Internet nach zu schliessen, sind sie unglaublich schön, beeindruckende Wasserfälle, türkisblaue Seen… ein Teil der Winnetou-Filme sind scheints dort gedreht worden, der Silbersee soll einer der Plitvicer Seen sein. Wir würden diese Parks schon gern besuchen, lesen aber auch, dass sie von Touristen überlaufen sind. Deshalb möchten wir lieber an etwas weniger bekannte Orte wandern gehen.

Einen Canyon habe ich auf der Karte gesehen, den ich gerne besuchen möchte. Ganz unbekannt ist die Gegend auch nicht, denn auch da ist Winnetou scheints entlanggeritten. Aber er liegt nicht in einem der berühmten Parks. Vielleicht hats da nicht so viele Leute. Er ist gut 30 Kilometer von Zadar entfernt; wir überlegen uns, Velos zu mieten und hinzuradeln.

Aber 30 Kilometer hin und 30 zurück – das ist doch eine rechte Strecke, wollen wir uns das wirklich antun? Hinzu kommt, dass die Velomieten hier recht hoch sind – 45 Euro pro Velo und Tag! Für das gleiche Geld können wir genausogut ein Auto mieten.

Nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns tatsächlich für ein Auto. Wir finden eine günstige Autovermietung ganz in der Nähe, und knapp eine Stunde später fahren wir schon in einem kleinen Autöli Richtung Paklenica-Naturpark.

Den Winnetou-Canyon heben wir uns für später auf.

Unterwegs stoppen wir kurz bei einem Friedhof.

Der Paklenica-Park ist weniger bekannt als die Anderen weiter südlich, er ist wohl auch nicht ganz so spektakulär. Für eine erste Wanderung sicher genau das Richtige. Wir fahren nicht zum Haupteingang, wo die grossen Reisecars parkieren, sondern ein paar Kilometer östlich zu einem Nebeneingang. Dort hats nur einen kleinen Parkplatz, und dieser ist nicht einmal halb voll. Das lässt doch hoffen, dass wir auf dem Wanderweg nicht Schlange stehen müssen.

Gratis kommt man in Kroatien in keinen der Parks, und so müssen wir auch hier erst zu einem Kassenhäuschen, Tickets kaufen. Die junge Frau an der Kasse warnt uns: Der Weg in den Park sei schwierig, es sei ein alpiner Weg.

So richtig glauben können wir es ihr nicht – hier sieht es eher hügelig aus als alpin. Jedenfalls lassen wir uns nicht abschrecken. Im Gegenteil, wenn der Weg nicht ganz einfach ist, ist auch das Risiko, einer Horde Flipflop-Touristen zu begegnen, kleiner.

Wir treten in den Park ein, kommen auf einem schönen, schmalen Wanderweg zum Eingang einer Schlucht. Und denken, wir habens ja gewusst, wirklich schwierig ist dieser Weg nicht.

Aber schon bald werden wir eines Besseren belehrt – der Weg mündet in einem ausgetrockneten Bachbett und müssen immer wieder riesige Felsbrocken bezwingen, die sich in der Schlucht verkeilt haben. Das ist mit der Zeit ganz schön anstrengend. Es ist nie gefährlich, und es ist auch nicht wirklich unangenehm. Es ist abwechslungsreich, und der Weg ist wunderschön. Aber wir kommen nur sehr langsam vorwärts.

Leute hat es tatsächlich fast keine, wir sind meistens allein.

Drei Stunden sind wir schon unterwegs, als wir uns für eine längere Pause hinsetzen und einen Blick auf die Karte wagen. Ein bisschen erschrecken wir schon, als wir sehen, dass wir kaum einen Drittel der Strecke, die wir uns vorgenommen haben, geschafft haben. Es ist halb drei Uhr nachmittags. Ungefähr um sechs geht die Sonne unter. Wenn wir weiterhin in diesem Tempo vorwärtskommen, werden wir noch unterwegs sein, wenn es längst dunkel ist.

Mit graust es.

Aber es bleibt uns nicht viel anderes übrig, als weiterzugehen. Eine Abkürzung gibt es nicht, und auf dem gleichen Weg zurück wollen wir nicht. Die Chempen hochklettern geht ja noch, hinunter ist bestimmt viel unangenehmer.

Also gehen wir weiter. Irgendwann muss es ja flacher werden, und auf der Karte sehen wir, dass wir das Bachbett weiter oben verlassen werden. Vielleicht wirds da ja besser…

Tatsächlich, schon bald werden die Felsstufen seltener, der Untergrund angenehmer. An einer flachen Stelle ist ein Seil mit Schlingen über den Bach gespannt. Wahrscheinlich hangelt man sich an diesen übers Wasser, wenn der Bach nicht ausgetrocknet ist wie jetzt.

Ich bin ganz schön froh, dass ich das nicht ausprobieren muss!

Samstag, 23. September

Sonntag, 24. September

Montag, 25. September

Dienstag, 26. September

Mittwoch, 27. September

Donnerstag, 28. September

Freitag, 29. September

Samstag, 30. September

Sonntag, 1. Oktober

Montag, 2. Oktober

Heute gehts also weiter nach Österreich. Von Zasip nach Jesenice (von Jesenice aus wollen wir mit dem Zug nach Villach fahren) sind es wohl um die fünf Kilometer – Luftlinie. Der kürzeste Weg dahin ist zwischen acht und neun Kilometer lang und führt durchs Industriegebiet von Jesenice; irgendwie nicht so prickelnd.

Der längere Weg ist von Zasip aus aber viel länger, und es gilt, um die 600 Höhenmeter zu überwinden. Komoot, unsere Wander-App, meint, man wandere um die sechseinhalb Stunden. Der Zug fährt um 16.30 Uhr. Wenn wir um 10 Uhr starten, könnte es grad reichen, falls wir ohne Pause laufen. Mit dem schweren Rucksack – zu riskant.

Wenn wir den 16.30-Uhr-Zug verpassen, müssen wir bis nach 23 Uhr auf den nächsten warten…

Unser Glück: Bill, der weiss, dass wir ohne Auto unterwegs sind, bietet uns an, uns zu fahren. So bitten wir ihn, uns nach Spodnje Gorje zu bringen. Von dort aus sind es nur noch vier Stunden, das sollten wir locker schaffen.

Bill fährt uns, wie geheissen, zur Pizzeria Betlehem. Sagt, die ist aber geschlossen.

Kein Problem, sagen wir. Wir wollen nicht Pizza essen, sondern von hier aus wandern.

Bill: Hier müsst ihr ja der Strasse entlang laufen. Das ist keine schöne Strecke. Ich bringe euch zur Vintgar-Schlucht.

Reto: Nein, wir wandern nicht der Strasse entlang. Wir gehen hier rauf, den Berg hoch.

Bill: Das geht nicht. Ihr könnt nicht über den Berg nach Jesenice laufen.

Reto zeigt ihm den Weg auf der Karte. Bill macht grosse Augen und sagt, da braucht ihr zu lang. Das ist zu weit. Und sehr steil. Ich kenne den Weg, das ist meine Bikestrecke.

Neeein, sagen wir. Zu wandern sind es vier oder viereinhalb Stunden. Und der Zug fährt in sechs. Ist doch kein Problem.

Bill fragt mich, wie alt ich sei.

62.

Ich kenne niemanden in deinem Alter, der sich das zutraut.

Aber er lässt uns gehen. Und sagt noch, wenn wir Probleme hätten, sollten wir ihn anrufen. Er komme sofort und hole uns.

So lieb von ihm!

Der Weg ist streckenweise tatsächlich sehr steil. Manchmal so steil, dass ich fast Angst habe, rücklings runterzufallen. Aber solche Wege sind uns ja nicht fremd, im Tessin sind viele Wanderwege so.

Wir kommen bei einer Alp vorbei; das ursprüngliche Alpgebaude ist zerfallen. Ein anderes sieht eher aus wie ein Ferienhaus.

Eine Skulptur und diverse Gedenktafeln darum herum erinnern an Partisanenkämpfe im zweiten Weltkrieg.

Und ein paar Kilometer weiter Richtung Jesenice finden wir in einer Felswand sogar ein Partisanen-Spital, oder jedenfalls eine Nachbildung davon. Dass hier, in diesem kleinen Verschlag, Verletzte behandelt wurden, ist schwer vorstellbar. Umso mehr, als die Verletzten, wenn sie nicht mehr selber laufen konnten, vorher -zig Höhenmeter in einer steilen Felswand hinuntergetragen werden mussten.

Im Wald staunen wir immer wieder über riesige Krater – wahrscheinlich Dolinen, wir befinden uns in einem Karstgebiet.

Und in einem dieser Krater befindet sich der Eingang zu einer Höhle. Laut Infotafel ist sie rund 20 Meter tief und 70 Meter lang. Schon der Eingang ist eindrücklich.

Reto steigt hinunter, mir genügt der Anblick von aussen. Ich fotografiere, während Reto die Höhle erkundet, liener die giftig aussehenden Pilze davor – samt Schutzbuddha.

Hoch über Jesenice wandern wir quasi am Ort vorbei; immer knapp am Abgrund. Von oben macht Jesenice keinen einladenden Eindruck. Wir sind froh, dass wir dort nur zum Bahnhof gehen und – schwupps – Richtung Villach verschwinden werden.

Bevor wir zum Abstieg kommen, konsultiere ich nochmals die Komoot-Karte. Der Abgrund, über dem wir entlanglaufen, macht nicht den Eindruck, als befinde sich irgendwo ein begehbarer Weg.

Doch. scheints gibts einen. Einfach über grosse Abschnitte sehr steil. 30 Prozent, behauptet die App.

30 Prozent ?!? kann man das überhaupt laufen? Wir sind gespannt.

Zum Glück erweist sich der Weg als halb so wild. Wir kommen ganz gut runter. und recht schnell.

So sind wir rund eine Stumde zu früh am Bahnhof. Und erfahren schon bald, dass sich der Zug um eine halbe Stunde verspäten wird.

Also setzen wir uns ins Bahnhofcafé und geniessen einen Espresso. Und schauen hoch zur Wand, wo wir erst gerade standen und runtersahen.

Unterwegs sind wir übrigens einen spannenden Baum entdeckt. Erist hohl und hat mehrere Löcher im Stamm.

Wir halten unsere Handys rein und fotografieren sein Innenleben. Das gibt recht spezielle Bilder.

In Villach angekommen, finden wir die Wohnung, die uns bis Mittwoch beherbergen wird, rasch. Und sind angenehm überrascht: Die Wohnung ist gross, modern und doch gemütlich. Cool!

Dienstag, 3. Oktober

Heute wollen wir uns etwas erholen. Spazieren, die Stadt Villach anschauen. Entspannen. Und Essen und Getränke für die Reise nach Hause einkaufen.

Erst fahren wir mit dem Zug nach Faak am Faaker See. Da gibts ein Moor, das wir durchwandern wollen.

Aber erst setzen wir uns vor eine Beiz an die Sonne und trinken Kaffee. Eine flauschige schwarzweisse Katze streicht uns um die Beine. Weil wir auch die Speisekarte durchblättern, erfahren wir, dass die Katze Meggi heisst und einen eigenen Instagram-Account hat. #catmeggi

beim Wandern beschliessen wir, nun doch nicht durchs Moor zu laufen, sondern den „Berg“ daneben zu bezwingen. Wobei Berg relativ ist – gegen ihn ist der Büechibärg schon fast hochalpin…

aber immerhin gehts chli obsi. Wir sehen übers Moor, es sieht schön aus, aber auch ein bisschen langweilig.

Dank Google wissen wir auch im grössten Weggewirr im Wald, welche Richtung wir einschlagen müssten, um zurück nach Villach zu gelangen. Das Problem ist nur, dass die Kärntner*innen offenbar gerne jeden Quadratmeter inkl. zugehöriger Strasse als „privat“ kennzeichnen und je nach dem das Befahren, Parkieren oder Betreten verbieten…

jedenfalls machen wir einen Umweg durch den tiefen Wald, um ja keine Persönlichkeitsrechte oder was auch immer zu verletzen. Und stossen auf ein weiteres Verbotsschild.

Dieses ignorieren wir und marschieren tapfer durchs Sperrgebiet. Und begegnen keiner Seele 😊

Sowieso ist die Anzahl Schilder, denen wir begegnen, eindrücklich.

und wahrscheinlich sind auch nicht alle ganz ernst gemeint.

Zurück in Villach sind wir froh, dass wir uns etwas ausruhen können. Aber nicht lange, dann zieht es uns wieder raus. Zwei Friedhöfe möchten wir noch besuchen. Der Friedhof St. Martin ist der älteste noch existierende der Stadt; er wurde im 19. Jahrhundert angelegt. Und gleich in der Nähe davon gibts einen Waldfriedhof, er ist vergleichsweise neu – von 1950.

Der Martinsfriedhof ist etwas enttäuschend – im Vorfeld haben wir von einem „kunstvollen“ Grabstein gelesen – ein bekannter Höhlenforscher sei da begraben. Ich finde das Grab sogar… wie soll ich sagen… langweilig. Vielleicht sollte man unter den „Überwurf“ kriechen, um den wahren künstlerischen Wert des Steins zu erkennen.

Was solls, wir haben ja noch den Waldfriedhof auf dem Programm. Er ist tatsächlich nur ein paar Schritte vom Martinsfriedhof entfernt, und er ist richtig schön. Nicht, dass die Gräber besonders originell wären – es hat zwar durchaus das eine oder andere nicht-alltägliche, wie jenes von Josefine Lenzhofer.

Aber die Stimmung auf dem Friedhof ist schön, etwas mystisch, aber vor allem friedlich.

Mittwoch, 4. Oktober