Samstag, 29. April

Memaliaj ist ein recht kleines Dorf, und viele Häuser sind verlassen und am Zerfallen. Ein recht trauriges Bild…

umso erstaunlicher ist es, dass es in Memaliaj mehrere recht gut sortierte Lebensmittelläden gibt.

Auch hier, wie schon in Orikum, gibt es allerdings keine modernen Kassen. Der Strichcode eines Produkts wird eingelesen, dann wird der Preis auf einen Zettel geschrieben. Sind alle Preise aufgelistet, kommt ein vorsintflutlicher Taschenrechner zum Einsatz, mit dem alles zusammengezählt wird. Etwas umständlich, aber durchaus praktikabel. Und da hier offenbar alle Leute genug Zeit haben, wird auch niemand nervös, wenns etwas länger dauert.

So, nun wird es aber Zeit, in die Wildnis aufzubrechen. Wir haben im Sinn, etwas oberhalb der Vjosa zu wandern, aber im grossen Ganzen ihrem Verlauf zu folgen, der sich in weiten Schlaufen durch die Ebene windet.

Erst mal gehts steil bergauf, zwischen hohen Zäunen hindurch. Ab und zu steht eine Kuh oder ein Schaf vor einer Hütte, Menschen sind vorerst nicht auszumachen.

dafür ab und zu eine Vogelscheuche

erst zuoberst, bei einem Haus, begegnen wir einer älteren Frau, die uns kritisch beäugt.

Wir grüssen sie freundlich, bleiben stehen, zeigen in die Richtung, in die wir gehen wollen und sagen: Tepelenë?

Die Frau macht grosse Augen, dann prasselt eine Worttirade auf uns ein – – – natürlich verstehen wir kein Wort, trotzdem wird rasch klar: Sie ist der Meinung, dass wir auf diesem Weg nie und nimmer nach Tepelenë kommen. Nein, wir müssen zurück, und alles der Hauptstrasse entlang.

Wir zeigen ihr auf dem Handy, welchen Weg wir nehmen wollen – ein neuer Wortschwall, wohl mit dem Inhalt, dass so ein blödes Telefon wohl nicht mehr weiss als sie.

Sie bleibt dabei: Wir müssen umkehren.

Zum Glück liegt weiter vorne noch ein Weiler. Wir behaupten nun, wir wollten da hin, und sie lässt uns widerwillig ziehen.

Der Weg führt uns durch eine wunderschöne Landschaft, ab und zu erhaschen wir einen Blick zurück auf Memaliaj und die Vjosa.

Wir kommen an alten, verlassenen Häusern und Häuschen vorbei

es ist ein Genuss…

…bis wir in der Ferne Hundegebell vernehmen.

Wir haben im Vorfeld schon von den albanischen Hunden gelesen und gehört. Die zahlreichen wilden Hunde, die meist in der Nähe von Dörfern leben, seien meist kein Problem, und wenn sie aufdringlich würden, solle man einfach einen Stein aufheben und so tun, als wolle man ihn in ihre Richtung werfen, dann würden sie sich schon verziehen.

Bei Hof- und Hirtenhunden sei es allerdings nicht immer so einfach, weil diese etwas zu verteidigen hätten…

Und ich muss gestehen, was Hunde betrifft, bin ich der grösste Angsthase, den man sich vorstellen kann.

Wir sind hier weit von einem Dorf entfernt. Ich höre Glockengebimmel. Und schliesse messerscharf: Hier hats Schafe und/oder Ziegen, und der, der bellt, hat etwas zu verteidigen.

Zu meiner Verteidigung halte ich in der einen Hand einen Stock, in der andern einen Stein. Und im Hosensack, für den absoluten Notfall, einen Pfefferspray.

Aber das ist noch lange kein Grund, mich nur ansatzweise sicher zu fühlen. Einzig die Anwesenheit von Reto lässt mir ein klitzekleines Bisschen Hoffnung, dass ich einen Hundeangriff eventuell überleben könnte.

Und da steht er schon, der Hund – rund 30 Meter vor uns, mitten auf der Strasse, und bellt, was das Zeug hält.

Wir bleiben stehen und warten ab. Gehen ein paar Schritte zurück, er folgt uns, immerhin mit gebührendem Abstand. Wir machen ein paar schritte auf ihn zu – er bleibt stehen, wirkt leicht verunsichert. „Seine“ Schafe weiden derweil zwei- dreihundert Meter weiter rechts, sind also ausser Reichweite.

Da kommt ein Lieferwagen angefahren, hält an, der Fahrer dreht die Scheibe herunter und brüllt den Hund an. Gibt uns dann mit Zeichen zu verstehen, wir sollen uns von dem Vieh nicht einschüchtern lassen. Und fährt weiter.

Wir laufen nun entschlossen weiter, probieren es nun auch mit Brüllen. Ein weiterer Hund nähert sich. Und noch einer.

Reto wirft einen Stein in ihre Richtung – und, oh Wunder, sie drehen ab!

Noch ein paarmal bellen, noch ein paar Scheinangriffe, dann sind wir an ihnen vorbei, ein ganz klein wenig mit stolzgeschwellter Brust…

aber leider nicht allzu lange, denn ein paar hundert Meter weiter wartet schon der nächste Hund.

Und wieder einer…

und wieder zwei…

gefühlt alle 500 Meter begegnen wir von jetzt an Hunden, mit und ohne Herde. Die einen tun, als wollten sie uns fressen, die andern laufen einfach vorbei.

Aber keiner greift uns wirklich ernsthaft an.

Eine hundefreie Phase nutzen wir für Erinnerungsfotos

Inzwischen sind wir etwa zehn Kilometer gewandert, nach Tepelenë sind es noch sechs. Die schweren Rucksäcke drücken auf unsere Schultern, die Hüftgelenke schmerzen… wir wollen uns langsam nach einem Platz für unser Zelt umsehen.

Wir folgen einem Bach mit kristallklarem Wasser und gelangen unversehens in ein idyllisches kleines Tal. Der Bach schlängelt sich durch, kleine Grasflächen wechseln sich mit Büschen ab. Und abgesehen vom Murmeln des Bachs ist es wunderbar ruhig.

Der ideale Zeltplatz!

Ein bisschen störend sind nur ein alter Mähdrescher und einige rostige landwirtschaftliche Geräte, die hier offensichtlich entsorgt wurden.

Darüber können wir grosszügig hinwegsehen…

Wir schauen uns bereits nach dem besten Platz fürs Zelt um, da ertönt Glockengebimmel. Und schon haben wir wieder drei Hunde am Hals.

Nichts wie weg hier!

Leider ist auch der weitere Weg von Schafen, Ziegen und Hunden gesäumt, und wir sehen keine Möglichkeit, irgendwo eine ruhige Ecke zu finden, wo wir uns niederlassen könnten.

Und wir gehen – oder vielmehr humpeln inzwischen – immer weiter und weiter, bis wir schliesslich, kurz vor dem Eindunkeln, die Vjosa über die wacklige Ali-Pascha-Brücke überqueren

und Tepelenë erreichen. Völlig erschöpft, aber vor allem erleichtert, beziehen wir ein Zimmer im BluePoint Hotel.

Das war höchste Zeit!

Von admin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.