Dienstag, 16. Mai

Gestern haben wir noch überlegt, ob wir auch die nächsten Tage in Berat übernachten und jeweils mit dem Taxi oder einem Furgon rausfahren, irgendwo wandern und am Abend wieder zurückkommen sollen.

Der Vorteil wäre, dass wir die schweren Rucksäcke im Hotel lassen und mit leichtem Gepäck unterwegs sein könnten.

Am Busterminal wollten wir uns informieren, wann welcher Bus wohin fährt. Aber das ist schwierig, auf der Tafel mit dem „Fahrplan“ sind nur die weiter entfernten Orte aufgeführt.

Nur noch zwei Taxifahrer waren beim Terminal – ab dem späten Nachmittag fahren scheinbar keine Busse mehr.

Sie sagten uns, in die Dörfer, in die wir wollten, würden keine Busse fahren.

Ok.

– Wenn wir nun mit dem Taxi beispielsweise nach Corovodë (ca 55 km entfernt) fahren würden, was würde das kosten?

– 40 Euro.

– Und wenn wir dann tagsüber rund 15 km Richtung Berat wandern und ihn dann anrufen, damit er uns dort abholt?

– Insgesamt 100 Euro.

– 100 Euro? Aber der Ort am Abend liegt 15 km näher. Dann müsste die zweite Strecke doch billiger sein.

– Nein. Insgesamt 100 Euro.

Offenbar rechnet man in Albanien anders. Und wir haben unsern Plan verworfen.

Stattdessen nehmen wir heute ein Taxi in ein kleines Dorf vor Corovodë (30 Euro), machen dort eine Rundwanderung und übernachten in einem Hotel. Ab morgen wandern wir dann etappenweise Richtung Berat, wo wir wahrscheinlich am Freitag wieder ankommen werden.

Auf der Fahrt begegnen uns mindestens fünf Furgons, die von Corovodë kommen oder nach dorthin unterwegs sind. Von wegen hier fahren keine Busse…

Die heutige Wanderung soll uns zu einem Wasserfall führen, offenbar ein beliebtes Ausflugsziel. Man kann sogar geführte Wanderungen dahin buchen.

Mutig wie wir sind, trauen wir uns zu, den Wasserfall alleine zu finden. Schliesslich haben wir eine geniale Wander-App (Komoot), dank der wir schon so manchen unbekannten Weg gefunden haben.

Der Weg ist tatsächlich ganz einfach zu finden – sein Zustand löst bei uns allerdings keine Begeisterungsstürme aus. Offenbar wird gerade eine neue Wasserleitung gebaut, die alte wird ausgegraben und weggerissen. Und der Regen der letzten Tage und Wochen hat sein übriges dazu beigetragen, dass aus der einstigen Strasse eine sumpfige Piste wurde.

Der Weg zum Wasserfall ist nicht weit, und als wir da ankommen, fragen wir uns, warum es Leute gibt, die geführte Wanderungen an diesen Ort buchen.

Er ist ja ganz nett, aber viel spektakulärer als beispielsweise jener im Chuchigraben oberhalb Rüttenen ist er nicht.

Aber vielleicht sind wir halt einfach verwöhnt.

Wir wollen noch weiter den Hang hinauf und dann in einem Bogen wieder runter ins Dorf. Das heisst, erst mal müssen wir eine steile Treppe hoch, die zu einem Wasserreservoir führt, dann um dieses herum.

Wir sehen von unten her, dass hinter dem hohen Zaun beim Reservoir zwei Hunde liegen. Der kleinere beobachtet uns interessiert, der grosse schläft. Die beiden scheinen harmlos, und ausserdem ist da ja noch der Zaun zwischen ihnen und uns.

Wir steigen die Treppe hoch. Der kleinere Hund beginnt zu bellen. Der andere erwacht, sieht uns, wedelt mit dem Schwanz und bellt ebenfalls.

Wir sehen, dass der Zaun nicht ganz dicht ist – an einer Stelle, gleich bei der Treppe, ist ein Loch, durch das der kleine Hund gut hindurchschlüpfen könnte. Aber ob er überhaupt auf die Idee kommt?

Dann, wir sind schon beinahe oben, gehts ganz schnell: Der kleine Hund schlüpft durchs Loch, der grosse zwängt sich ebenfalls hindurch. Bellt, fletscht die Zähne und greift an. Schnappt nach Retos Bein – dieser versucht, ihm einen Tritt zu geben, aber das ist schwierig. Die Hunde stehen oben, wir unten, in einer sehr unkonfortablen Situation.

Reto und ich schreien die Hunde nach Leibeskräften an, sie zögern kurz – – – und grade, als sie wieder angreifen wollen, ertönt ein Pfiff. Die Tiere machen auf der Stelle rechtsumkehrt und schlüpfen durchs Loch hinter den Zaun zurück.

Ein Mann steht oben beim Reservoir, der Besitzer der beiden Köter, und bedeutet uns, wir könnten jetzt durch…

Der Hund hat Retos Bein tatsächlich erwischt, zum Glück ist die Wunde nur oberflächlich, eigentlich nur ein Kratzer. Trotzdem, der Schreck sitzt uns in den Knochen, und ich werde mich bis am Abend nicht richtig davon erholen.

Der Weg gestaltet sich von nun an über weite Strecken unübersichtlich, zum Teil ist er praktisch zugewachsen. Oft finden wir seinen ungefähren Verlauf nur dank unserer App. Wir zwängen uns zwischen Gebüsch hindurch (darin sind wir inzwischen recht geübt), schleichen gebückt durchs Dickicht, fast wie Winnetou auf dem Kriegspfad.

Eigentlich ist es ganz lustig, wenn auch anstrengend. Und auf unsere App ist Verlass, wir finden den Weg aus dem Dschungel.

Von oben sehen wir nochmals aufs Reservoir mit den beiden unfreundlichen Hunden.

Als es flacher wird und der Wald lichter, begegnen wir zwei Schlangen.

Die eine, eine giftige Hornotter, lässt sich sogar fotografieren, bevor sie verschwindet.

Die andere, eine dünne schwarze, sucht ganz schnell das Weite.

Alles in allem wars eine spannende, abwechslungsreiche Wanderung. Und meine Lehre daraus: Von nun an bin ich nur noch mit einsatzbereitem Pfefferspray unterwegs. Der war nämlich, als es ernst galt, ganz unten im Rucksack verstaut…

Von admin

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