Wo gehts hier zur Burg?

Freitag, 28. April

Sonne, Sonne, Sonne – und kaum Wind. So präsentierte sich der heutige Tag.

Wir hatten auf der Karte ein Dorf gleich neben Orikum ausgemacht – mit einer Burg in der Nähe, und einem Ruinendorf etwas weiter entfernt. Und, was auch spannend tönte: Mitten im Dorf, gleich neben dem Grand Hotel, entspringe dem Berg eine mächtige Quelle.

Klingt spektakulär, oder?

Also machten wir uns gleich nach dem Frühstück auf Richtung Tragjas – so heisst das Dorf.

Auf der Karte war ausser der Hauptstrasse eine kleinere Strasse eingezeichnet, die nicht so verkehrsreich schien. Auf dem Weg zu der Abzweigung kamen wir an einer Baustelle vorbei, wo ein Bauarbeiter den Verkehr regelte. Wie so viele Albaner*innen winkte er uns und fragte, woher wir kommen, wohin wir wollen etc. Wir radebrechten auf italienisch, und er meinte, nach Tragjas seien wir hier falsch. Wir müssten über die Hauptstrasse.

Wir antworteten, mit dem Auto vielleicht, aber wir seien ja zu Fuss. Achsooo, zu Fuss, ja, dann…

Wir gingen weiter, bogen in einen Fahrweg ein, zwischen hohen Zäunen und abgesperrten Toren, bis der Weg ebenfalls vor einem Tor endete. Ein Auto stand da, das Schloss am Tor war geöffnet. Weil die Karte 50 Meter weiter vorne eine Brücke über den Fluss versprach, den wir noch überqueren mussten, traten wir ein, immer darauf gefasst, dem Grundstückbesitzer zu begegnen. Wir schlichen zwischen blühenden, betörend duftenden Orangenbäumen Richtung Fluss, ohne einer Menschenseele zu begegnen.

Der Fluss kam in Sicht – aber zwischen uns und ihm stand ein Zaun, ein recht hoher Maschendrahtzaun mit einem stacheldrahtähnlichem Abschluss.

Was tun? Darüberklettern natürlich! Mit viel Glück schafften wir es, ohne usere Hosen zu zerreissen.

fiese Maschendrahtzaun-Abschlüsse

Nun standen wir also am Fluss, nur war weit und breit keine Brücke zu sehen! Wie lange „unsere“ Karte wohl nicht mehr aktualisiert worden ist?

wo ist die Brücke?

Zum Glück ist der Fluss nicht allzu breit, das Wasser ist eher flach, und vor allem: sehr sauber! Kein Müll, keine Scherben – klares Wasser und ein Flussbett aus runden Kieselsteinen.

Also, Schuhe und Socken ausziehen und rüberwaten, kein Problem.

Von nun an ging unsere Wanderung durch ein wunderschönes Gebiet, Natur pur!

Wir entdeckten wilde Orchideen wie die gelbe Ragwurz

die (seltene) Nabel-Ragwurz

das lockerblütige Knabenkraut

oder den einschwieligen Zungenstendel

die Pflanzen haben wir übrigens mit der genialen App „Flora incognita“ identifiziert.

Als kleines Highlight begegneten wir zudem unserer ersten Landschildkröte – juppi!

sie schien über unser Zusammentreffen nicht ganz so glücklich zu sein wie wir und machte sich rasch vom Acker…

Der Weg wurde nun zusehends schmaler und sumpfiger, die Pflanzen dorniger, und schlussendlich standen wir vor einer undurchdringlichen grünen Wand. Zu unseren Füssen, im lehmigen Boden, waren Fussabdrücke zu sehen – von einem Wolf??? oder doch „nur“ von einem Hund? Aber was zur Hölle sucht ein Hund in dieser gottverlassenen Wildnis?

Wars ein Wolf oder ein Hund?

Wie auch immer, nach ein paar Pirouetten fanden wir auf den richtigen „Weg“ zurück

und schliesslich auch zur Burg, die uns allerdings etwas enttäuschte. Vier Mauern, und sonst nix.

aber die Wanderung dorthin war spektakulär genug – gelohnt hat es sich auf jeden Fall.

Auch die Suche nach dem Rückweg /dem Weg ins Dorf gestaltete sich eher kompliziert, und weil das Ruinendorf noch rund 5 Kilometer weiter entfernt lag, verzichteten wir darauf, dieses auch noch zu suchen. Schliesslich waren wir schon rund 10 Kilometer gewandert, und der Rückweg nach Orikum lag noch vor uns. Unsere lädierten Hüften gaben uns deutlich zu verstehen, dass es langsam reiche.

Die „mächtige“ Quelle mitten im Dorf Tragjas wollten wir aber schon noch besichtigen.

Leider habe ich vergessen, sie zu fotografieren – – – es handelt sich um einen Schachtdeckel mitten auf der Strasse, aus dem Wasser quillt – und dieses läuft ganz einfach über die Strasse……..

Schildkröten, Frösche, Schlangen… und Militär

Donnerstag, 27. April

Unser Hotel steht direkt am Meer, der Inhaber fährt jeden Morgen zum Fischen hinaus und serviert dann den frischen Fisch in seinem Restaurant. Die Zimmer sind gross, sehr einfach eingerichtet, aber man hat alles, was man braucht.

unser Hotel für drei Nächte

Heute Vormittag machten wir uns auf, um eine archäologische Stätte zu besuchen, die uns auf einer Karte angezeigt wurde. Ganz einfach zu finden: alles der Stasse nach, am Meer entlang.

dachten wir!

Kaum waren wir 500 Meter unterwegs, kam ein Tor in Sicht, an dem ein paar Männer standen, die offensichtlich den Rost von den Gitterstäben kratzten. Das Tor stand halb offen. In der Nähe fanden wir ein Plakat, das uns darüber informierte, der Eintritt zur antiken Stätte koste 300 Lekë pro Person.

Ok, das leisten wir uns.

Wir kamen zum Tor, wollten forschen Schrittes rein – und wurden von einem Herrn in beiger Uniform gestoppt. Neben ihm ein Jüngling, ebenfalls in Beige und mit Doppeladler-Emblem am Ärmel, und vor allem: mit einem Gewehr!

Huch – wir wollten doch nur ein paar Ruinen anschauen gehen.

Mit Hilfe eines herbeigerufenen Übersetzers wurde uns beschieden, wir befänden uns hier in militärischem Sperrgebiet, genauso wie die historische Stätte. Und zu Fuss dürfe man hier nicht durch. Wir müssten die zwei Kilometer bis zu den Ruinen mit einem Auto zurücklegen, sonst sei ein Besuch nicht möglich.

Tja. Dann lassen wir es halt – – –

zum Glück bot sich gleich nebenan eine Alternative: die Laguna e Pasha Limanit, ein wunderschönes Naturreservat mit Fröschen, Wasserschildkröten, Schlangen, Vogelgezwitscher und vielen, vielen verschiedenen Pflanzen.

Mariendistel

kretische Hundszunge

Wasserschildkröten am Sünnele

Ein Highlight unseres Spaziergangs war die Kisha e Marmiroit, eine kleine Kirche aus dem 12. oder 13. Jahrhundert

die Kuppel im Innern der Kirche

den Rückweg zum Dorf säumten einige Bauernhöfe mit neugierigen Tieren

und etliche Bunker aus der Hoxha-Ära

und zum Abschluss gabs in unserer Lieblingskonditorei (man könnte meinen, wir seien schon ewig hier….) ein wohlverdientes Dessert 😁

Orikum vor dem Einfall der Touristen

Mittwoch, 26. April

Heute habe ich auf der Busfahrt einen Weitwanderer mit Einkaufswagen gesehen, später am Strand einen Wanderer mit Grossrucksack. 2 Wohnmobile sind am Strand geparkt. In unserem Hotel sind der Besitzer und ein Elektriker am Leitungen ziehen. Andere Hotels sind noch verwaist. Das Dorf selber ist etwa 700 Meter vom Meer entfernt und typisch Albanisch.

Die Gewerbezone an der Hauptstraße.

Moderner Bau im Grünen

Orikum soll 5000 Einwohner haben und geschätzt etwa 10 kleine Supermärkte, eine Polizeistation und ein Gymnasium.

Ein Teil der Ebene zwischen dem Meer und der Stadt ist ein sehr sumpfiges Naturschutzgebiet.

Wir haben diverse Frösche und Vögel gehört, z.B. den Seidensänger und den Zistensänger.

Junge Schlange bei der Jagd nach Fischen

…und weiter nach Orikum

Mittwoch, 26. April

Nach einem traditionell albanischen Zmorge

(die Würstli sind etwas gewöhnungsbedürftig, aber abgesehen davon ist das Zmorge der Hammer!)

eben, nach dem Zmorge machten wir uns auf die Suche nach einer Möglichkeit, nach Orikum zu fahren, einem Dorf am Meer, knapp 20 Kilometer von Vlorë entfernt. Im Vorfeld haben wir von den „Furgon“ gelesen, das sind Kleinbusse, in denen die Albaner*innen offenbar bevorzugt von A nach B reisen. Klar gekennzeichnete Haltestellen gibts scheints nicht, auch ein Fahrplan existiert nur rudimentär… wir rechneten damit, ein Taxi nehmen zu müssen, da wir uns nicht zutrauten, überhaupt einen solchen Furgon zu finden, und dann noch den richtigen, der nach Orikum fährt…

Umso erstaunter waren wir, als wir bei einem gemütlichen Spaziergang Richtung Hafen plötzlich vor einem Kleinbus standen, hinter dessen Windschutzscheibe ein Karton mit der Aufschrift „Orikum“ prangte.

Also, nichts wie rein!

Vorher, auf unserem Spaziergang, entdeckten wir noch drei Bunker bei einer Schule, die in einen kleinen Park mit Sitzgelegenheiten und Eisenskulpturen integriert waren. Sehr hübsch!

Vlorë

Dienstag, 25. April

Den ersten Tag in Albanien haben wir in Vlorë verbracht, einer Stadt, die wohl in den letzten 30 Jahren stark gewachsen ist. Viele Wohnblöcke, allesamt eher zweckmässig als hübsch; die wenigen wirklich alten Gebäude sind zumeist nicht mehr bewohnt, das Dach eingestürzt, die Fenster fehlen…

Die Altstadt ist winzig, eigentlich besteht sie nur aus einem Strassenabschnitt von vielleicht 300 Metern Länge. Hübsch herausgeputzte Häuser, Strassencafés, kleine Galerien… eindeutig für Touristen hergerichtet.

Darum herum wird gebaut wie wild: ein grosser Platz mit dem Unabhängigkeitsdenkmal wurde wohl neu gepflästert, alte Markthallen werden aufgehübscht. Und ein riesiges Gebäude mit unterirdischer Autoeinstellhalle, nie fertiggestellt, wird evtl. wieder abgerissen – aber es sieht so aus, als würde es von unten her zurückgebaut – was ja wohl nicht geht, ohne dass der obere Teil irgendwann zusammenbricht… seltsam.

das Denkmal der Unabhängigkeit

kommt die Bauruine ganz weg, oder was passiert da?

Die Muradje-Moschee aus dem 16. Jahrhundert – eines der ältesten Gebäude von Vlorë

Manche Strassen enden überraschend…

Was uns ebenfalls überraschte, war, dass sich der Verkehr auf den Strassen in Grenzen hielt. Es ist recht ruhig, der Verkehrslärm ist gut erträglich, von Hektik ist nicht viel zu spüren.

Und, was sehr schön ist: Vor allem die älteren Leute sind unheimlich freundlich. In den Cafés sitzen viele ältere Männer, und wenn wir vorbeilaufen, winken viele oder sprechen uns an. Auch zwei Frauen in einem dieser unbeschreiblichen Lebensmittelläden wollten unbedingt mit uns plaudern, obwohl sie so viel englisch oder deutsch verstehen wie wir albanisch… mit Händen und Füssen ist zum Glück vieles möglich!

Während wir im letzten Jahr in Durres an gefühlt jeder Ecke über einen der Enver-Hoxha-Bunker stolperten, haben wir in Vlorë bis jetzt nur einen einzigen gesehen:

Alles in allem waren wir recht gemächlich unterwegs – Retos Hüftverletzung lässt momentan keinen Stechschritt zu… bei einem Glas Wein in einem Hinterhof-Café haben wir beschlossen, aus dieser „Not“ eine Tugend zu machen und zumindest die ersten Tage unserer Ferien dafür zu nutzen, uns der albanischen Lebensweise anzunähern. Oder dem Bild, das wir von der albanischen Lebensweise haben: Das Leben so nehmen, wie es ist, akzeptieren, dass nicht alles so läuft, wie man er sich vorgestellt hat, und vor allem, den Augenblick geniessen!

Und vielleicht kommen wir bei dieser Gelegenheit auch hinter das eine oder andere Geheimnis im albanischen Alltag. Zum Beispiel, wie hier der öV funktioniert………

zum Wein gibts Apfelschnitze mit Zimt…

…und zur Pizza albanisches Bier