Freitag, 12. Mai

Ist das Meer an der „Albanischen Riviera“ wirklich so blau, wie es uns die Bilder im Internet glauben machen wollen?

In Sarandë präsentierte es sich bis jetzt immer grau. Grau wie der Himmel und die Wolken über Korfu.

Aber wer weiss, vielleicht sieht es weiter nordwestlich, Richtung Himarë, anders aus – vor allem wenn die Sonne scheint?

Das wollen wir heute herausfinden und ziehen los, einen Furgon Richtung Himarë suchen.

Wir finden ihn zwar, aber er fährt erst in knapp zwei Stunden. Deshalb leisten wir uns heute zum ersten Mal ein Taxi.

Unser Chauffeur heisst Dimitri. Er fährt angenehm gemächlich, und er redet nicht viel. Auch das ist angenehm. Er fährt uns bis Lukova; von dort aus wollen wir der Küste entlang bis ins übernächste Dorf Nivice wandern.

Reto hat im Internet die Beschreibung eines markierten Wanderwegs gefunden. In Albanien ist das, wie wir ja wissen, eine Seltenheit; oft ist man dazu verdammt, einer Hauptstrasse entlang zu wandern, weil kein anderer Weg existiert.

Wir haben Glück und finden den Einstieg in Lukove rasch. Erst gehts eine Strasse runter, dann über Wiesen- und Buschland.

Es ist traumhaft schön hier, kein Mensch weit und breit. Und der Wanderweg ist zuverlässig markiert.

und dann sehen wir es: das kitschig-blaue Meer! Es ist also tatsächlich so; zumindest bei Sonnenschein und in Ufernähe ist das Meer von einem überirdischen Blau.

Wir können uns fast nicht sattsehen.

Wir wandern durch eine üppig grüne Landschaft, durch fast mannshohes Farn.

Der Wanderweg führt uns nun zu einem Strand. Auch hier ist kein Mensch zu sehen. Kein Wunder. es führt keine Strasse dahin – er ist nur zu Fuss oder per Boot erreichbar.

Im Sommer wird er wohl trotzdem brechend voll sein. Wie wir gelesen haben, können Bootstouren an die abgelegenen Strände gebucht werden.

Hier treffen wir sogar auf einen Wanderwegweiser

und eine kleine Kirche

und weiter gehts, wieder etwas aufwärts, wo Bäume und Büsche etwas zahlreicher werden, und wo wir auch nicht mehr ganz allein sind: Im steilen Gelände weiden Rinder und Kälber.

Dementsprechend müssen wir von nun an zunehmend den Kuhfladen ausweichen.

Wir treffen sogar auf Mistkäfer, die aus Kuhmist Kugeln formen.

Der Weg wird zunehmend morastiger, durchsetzt mit Kuhfladen, bewachsen mit dornigem Gestrüpp und kleinen Bäumen, unter deren Ästen wir hindurchkriechen müssen. Die Markierungen werden auch immer spärlicher.

und wo, bitte, ist nun der Weg???

Mehr als einmal müssen wir umkehren und es in eine andere Richtung versuchen. Aber schliesslich schaffen wir es

und finden einen Weg aus dem Dickicht und an den nächsten Strand.

So paradiesisch es hier ist – sinnigerweise heisst dieser Strand „Lost Paradise“ – wir wüssten doch zu gerne, wie wir hier wieder rausfinden und zurück in die Zivilisation gelangen. Kaum verlassen wir den Strand, finden wir uns in undurchdringlichem Dickicht wieder. Und es ist später Nachmittag, allzu viel Zeit bleibt uns nicht…

Da, zuvorderst, sehen wir ein Gebäude, wohl ein Kiosk für den Sommerbetrieb oder so. Er ist zwar noch tief im Winterschlaf, aber da sind drei Personen am Strand.

Sie können uns vielleicht helfen?

Tatsächlich, auch sie sind zu Fuss hergekommen, von der anderen Seite. Also von da, wo wir hin wollen.

Der eine erklärt uns, wo sich der Einstieg befindet, betont aber im gleichen Atemzug, es sei sehr schwierig, den Weg zu finden, obwohl er markiert sei. Er selber sei ein Einheimischer, er kenne den Weg.

Aber wir als Fremde… er sagt nicht, wir hätten keine Chance, aber sein zweifelndes Gesicht spricht Bände.

Egal. Wir werden es probieren. Wenn wir scheitern, können wir immer noch anderthalb Stunden warten, bis die drei aufbrechen, und ihnen folgen.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten finden wir den Pfad und hangeln uns, höchst konzentriert, von Markierung zu Markierung.

Wir achten auch auf niedergetretenes Gras, denn die drei sind ja erst gerade hier durchgelaufen. So finden wir den Weg, zu unserem Erstaunen, ohne gross auf Abwege zu geraten. Und kommen dabei an zwei alten Klöstern vorbei. Die Gebäude und die Fresken (die Kirchen stehen einfach offen!) beeindrucken uns sehr.

Dass die Fresken, wie schon jene in Leus, übel zerkratzt sind, schockiert uns zwar immer noch, aber es ist in Albanien wohl einfach so: Die Malereien sind frei zugänglich, und es kümmert niemanden, wenn sie zerstört werden.

Denkmalschutz ist hier offenbar (noch) kaum ein Thema. Und: Wären die Kirchen verschlossen, dann wären die Fresken zwar geschützt, aber es könnten sie nicht mehr alle bewundern.

Tief beeindruckt ziehen wir weiter.

Inzwischen ist es schon gegen 19 Uhr, der letzte Bus Richtung Sarandë ist längst abgefahren.

Zum Glück haben wir Dimitri in weiser Voraussicht nach seiner Telefonnummer gefragt. Ein kurzer Anruf, und zwanzig Minuten später ist er da und bringt uns sicher nach Sarandë zurück.

Vielen Dank, Dimitri!

Von admin

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