Mai 2023

Ab in die Berge

Freitag, 5. Mai

Die erste Nacht im Zelt. Wir hatten erwartet, dass es spätestens, wenn es ganz dunkel ist, ruhig werden würde – dass die Frösche aufhören zu quaken und die vielen Vögel verstummen. Die Frösche gaben tatsächlich irgendwann Ruhe. Und die meisten Vögel auch.

Nur eine Vogelart wollte partout nicht schlafen – die Nachtigall. Die ganze Nacht hindurch sang, zwitscherte, plauderte sie – es ist faszinierend, was für ein riesiges Repertoire sie hat. Auch der spätabends einsetzende Regen hielt sie nicht vom Singen ab.

Und wir wurden somit während unseren wachen Phasen bestens unterhalten!

Heute gehts nun in die Berge, die frisch geteerte Strasse hoch ins Dorf Suhë. Wir haben im Vorfeld auf Google Earth nachgesehen und uns gefreut, dass die Strasse nach Permet grösstenteils einen Kiesbelag hat, was viel angenehmer zum Wandern ist als Teer. Nun wurde aber der Abschnitt bis Suhë tatsächlich in den letzten Tagen geteert! Wir haben gestern Abend noch die Strassenbauer gesehen, wie sie die letzten Meter fertigstellten.

was solls – wir nehmen es, wie es ist und freuen uns über das schöne Wetter und die Blumenwiesen links und rechts der Strasse.

Zum Glück fahren nur ganz wenige Autos diese Strasse hoch. Und alle, die vorbeifahren, hupen und winken. Einer ruft durchs offene Fenster: „Welcome“! Ja, so fühlt man sich tatsächlich willkommen!

Nach Suhë, wo wir kurz ins Innere einer orthodoxen Kirche geworfen

und einen Friedhof besucht haben

wandern wir wieder auf einer Naturstrasse. Cool!

Einen Pfad zu suchen, der mit unseren Wanderwegen vergleichbar wäre, ist leider chancenlos. Es gibt nur diese Strasse durch die Schlucht, und fertig.

Ab und zu zweigen zwar schmale Wege ab, sie enden aber alle irgendwo im Dickicht.

Die Sonne brennt heiss vom Himmel, der schwere Rucksack drückt, die Strasse scheint immer steiler zu werden… so schön die Landschaft ist: Das Wandern ist auch hier nicht immer das reinste Vergnügen! Wir sind dankbar, als wir an einem kleinen Bach vorbeikommen, wo wir unsere Köpfe kühlen und vom kalten Wasser trinken können. Wir sind ja in den Bergen, und wir haben uns vergewissert, dass oben, wo der Bach herkommt, kein Dorf ist. So gehen wir davon aus, dass das Wasser sauber ist.

In der Schlucht einen Platz zum Zelten zu finden, können wir vergessen – links der Strasse gehts steil bergauf, rechts ebenso steil runter zum Fluss. So sehnen wir gegen Abend das Ende der Schlucht herbei und hoffen auf ein flaches Plätzchen abseits der Strasse.

Endlich weitet sich die Schlucht, und tatsächlich erstrecken sich rechts und links einladende Wiesen. Und so viele potenzielle Zeltplätze, dass wir uns fast nicht entscheiden können…

Irgendwann sind wir uns einig. Etwas oberhalb der Strasse, gut geschützt durch Hecken, steht unser Zelt bald darauf an einem lauschigen Ort, vor neugierigen Blicken geschützt.

und wir sind froh, dass wir endlich in unsere Schlafsäcke kriechen und uns ausruhen können.

Katër ditë

Donnerstag, 4. Mai

Es ist nicht ganz einfach, Gjirokastër zu Fuss zu verlassen, jedenfalls, wenn man über die Hauptstrasse im Nordosten der Stadt will. Und noch dazu mit einem grossen, schweren Rucksack. Da stehen reihenweise Taxi-, Bus- und Furgonfahrer, die dich unbedingt irgendwohin bringen wollen. Und dazu noch einige Privatchaffeure, die das selbe tun wollen.

Wir schaffen es, sämtliche Hilfsangebote abzuwehren und machen uns auf den bereits bekannten Weg nach Arshi Lengo. Und weiter Richtung Berge.

Nachdem wir letzte Woche mit unserem Vorhaben, zu zelten, wegen Schafen und Hunden kläglich gescheitert sind, haben wir unsere zfuess-Vorbilder Caro und Jasi um Rat gefragt. Sie haben uns versichert, dass die Tiere in der Nacht nie unterwegs seien und wir also auch mitten auf einer Schafweide ungestört zelten könnten, wenn wir am Abend nur lange genug warteten.

Das motiviert uns, es nochmals zu versuchen Heute wird gezeltet!

Seit wir die Küste verlassen haben, haben wir keinen einzigen Bunker mehr gesehen. Wir glaubten schon, jene im Landesinneren seien alle eliminiert worden. Jetzt aber entdecken wir sie reihenweise entlang der Strasse. Zum Teil sind sie fast völlig von Brombeergestrüpp überwachsen, zum Teil scheinen sie noch für irgend etwas gebraucht zu werden.

Einer der grossen macht sogar einen bewohnten Eindruck.

Natürlich kommen wir auch heute an Schaf- und Ziegenherden vorbei. Mit einem alten Schafhirten plaudern wir ein wenig – er auf Albanisch, wir mit dem wenigen Albanisch, das wir inzwischen können, und abgesehen davon mit Händen und Füssen.. Er erzählt, er sei Pensionista, 70 Jahre alt. Und er würde uns gern zu einem Kaffee einladen, aber er wohne da drüben, und seine Schafe seien jetzt hier.

Wir erklären ihm, dass wir nach Permet wollen. Wo wir denn unser Auto hätten, will er wissen.

Als er hört, dass wir zu Fuss gehen, macht er grosse Augen. Zu Fuss? Über die verschneiten Berge? „Katër ditë“ dauere das – vier Tage!

Katër ditë. Er sagt es immer wieder. Und schaut uns an, als hätten wir den Verstand verloren.

Ein lustiger Mann. Und eine lustige Unterhaltung. Ich hätte ihn gerne fotografiert, aber ich habe da grosse Hemmungen. Ich mag es selbst auch nicht, fotografiert zu werden, schon gar nicht von wildfremden Leuten. Aber immerhin, hier sind seine Schafe

später gilt es wieder einmal, einen Fluss zu überqueren. Inzwischen ist uns bewusst, dass nicht alles, was auf der Karte als Brücke eingezeichnet ist, auch wirklich eine Brücke ist, Es kann auch eine untiefe Stelle sein, die bei Niedrigwasser mit einem geeigneten Auto durchfahren werden kann.

An so einer Stelle stehen wir heute wieder. Wir kennen es ja schon, Socken und Schuhe ausziehen, durchwaten und hoffen, dass der Fluss nirgends zu tief ist. Während wir rüberwaten, kommt uns ein Hund entgegen. Es ist ein bisschen, als ob er uns zeigen wollte, dass er das auch kann. Er durchquert den Fluss, immer darauf bedacht, dass wir ihm zuschauen, und kommt dann wieder zurück.

Und, gerade als wir uns fragen, ob der Wasserstand im Moment zu hoch ist für ein Auto, kommt eins. Und zeigt uns, dass es sehr wohl geht.

Weiter gehts, dem Fluss entlang, wo an seichten Stellen die Frösche einen Höllenlärm machen, dann einer Staumauer entlang, wo der See bei totaler Windstille ein perfektes Spiegel-Bild bietet

zehn Minuten später kommt ein ganz leichter Wind auf – fertig Spiegelbild

schliesslich kommen wir an die Stelle, die wir auf der Karte als unseren Übernachtungsplatz vorgesehen haben, natürlich ohne zu wissen, wie es da in der Realität aussieht.

Wir haben Glück: Die Stelle am Fluss entpuppt sich als idealer Zeltplatz!

Bye bye Gjirokastër!

Donnerstag, 4. Mai

Nach drei spannenden Tagen in Gjirokaster verlassen wir die Stadt und ziehen Richtung Përmet weiter.

Wir haben viel Neues erlebt, erfahren, gelernt, uns über ein paar Dinge gewundert, gestaunt oder herzlich gelacht.

Ein paar Beispiele:

Im Innern der Burg stehen zwei kleine Häuser, auf den ersten Blick würde man auf Gartenhäuschen tippen.

Es sind aber Grabstätten von religiösen Führern, Baba genannt.

Auf der Türschwelle des einen Häuschens lagen, als Opfergaben? neben Münzen auch Süssigkeiten – Schokoriegel und Bonbons.

Einer dieser Babas muss ein rechtes Schläckmuul sein!

Ebenfalls in der Burg fanden wir dieses Schild – sicher kreativer als ein unfreundliches „Rasen betreten verboten“.

Anstelle der langweiligen Zäune aus Maschendraht findet man in Gjirokastër vielerorts Zäune aus solchen löchrigen Blechen.

Offenbar gab es (oder gibt es vielleicht immer noch) eine Besteckfabrik. Löffel, Gabeln und Messer wurden aus grossen Blechplatten ausgestanzt. Das aus den Resten entstandene Lochblech eignet sich, wie man sieht, vorzüglich zum Umzäunen eines Gartens, oder zum Schutz vor Vögeln.

…und hier hat jemand eine kreative Lösung gefunden, um das Regenwasser aufzufangen:

Der Besuch im Barbershop, zur Rasur, war eine leichte Enttäuschung, nur der Elektrorasierer wurde eingesetzt, das Rasiermesser lag nutzlos auf dem Frisiertisch. Das Ergebnis war trotzdem ausgezeichnet.

Besonders das Logo hat mir gefallen!

Am Schluss kam der Heissluftfön zum Einsatz, er pustet die Barthaare weg.

In einem Café stehen wir vor einem Rätsel, als uns der Kellner nebst der bestellten Espressi einen weiteren Unterteller hinstellt. Etwas Weisses, Flaches liegt darauf.

was könnte das sein? Eine Art Mini-Süssigkeit? Eine Zuckerschicht? Sollen wir den Teller vielleicht abschlecken?

Wir überlegen hin und her… vielleicht sollten wirs einfach mal probieren. Oder vielleicht doch nicht – – –

Zum Glück haben wir nichts dergleichen getan, denn plötzlich kommt Reto doch noch hinter den Sinn und Zweck des Tellers: Er soll als Aschenbecher dienen, das weisse Etwas ist ein nasses Stück Papier!

Wir malen uns das Gesicht des Kellners aus, wenn wir den Teller tatsächlich abgeschleckt hätten, und kugeln uns vor Lachen…….

Tausend und eine Blume

Mittwoch, 3. Mai

Die ganze Nacht hats geregnet, nun tropft es nur noch. Und es ist richtig kühl. Das Restaurant unseres Guesthouses hat keinen Innenbereich, so sitzen wir halt dick eongepackt draussen (immerhin am Schärme) beim Zmorge und beeilen uns, den Tee zu trinken, bevor er kalt ist

Heute wollen wir die andere Talseite erkunden. Das heisst, erst mal bergab durch die Stadt und unten die Talsohle durchqueren. Unser Zwischenziel ist ein Dorf mit dem für unsere Ohren wenig schmeichelhaften Namen Arshi Lengo.

Es tut gut, aus der Stadt raus zu sein. Arshi Lengo besteht nur aus ein paar Häusern, und ausser den Ziegen- und Schafhirten, die mit ihren Tieren den Hang entlang ziehen, begegnen wir keiner Menschenseele.

Die Hirten winken alle freundlich, und auch ihre Hunde sind uns wohlgesinnt. Ein alter Mann mit einer Kuh hat zwei junge Hunde bei sich – der eine begrüsst mich, als wäre ich sein lang vermisstes Frauchen.

Wir finden einen Weg hoch in die Hügel und stürzen uns dort in die Wildnis, um die Pflanzenwelt zu erkunden.

Wir werden nicht enttäuscht. Unser heutiges Highlight ist eine neue Ragwurzart mit für Ragwurzverhältnisse riesigen Blüten

unsere Bestimmungsapps (Flora incognita und Plantnet) sind sich nicht einig, ob es sich um die Oster- oder die Spinnen-Ragwurz handelt. Wunderschön sind sie auf jeden Fall!

wir finden noch weitere Orchideen, wie den Pflugschar-Zungenstendel, ein ganz spezielles Blüemli

aber auch abgesehen von diesen Besonderheiten ist die Vielfalt der Blumen absolut eindrücklich, wir können uns fast nicht sattsehen. Hier ist der Frühling voll ausgebrochen, es ist eine Pracht!

Auch meiner momentanen Lieblingsblume, der Cistrose, sind wir heute zum ersten Mal begegnet. Ich hoffe, wir finden auf der Weiterreise noch mehr, damit wir ab und zu einen Cistrosentee geniessen können.

Die Cistrose ist scheints eine ganz tolle Heilpflanze, sie wirkt antiviral, antibakteriell, entzündungshemmend… besser als jedes Antibiotikum!

Mauern, Treppen, Kriegsgerümpel

Dienstag, 2. Mai

Wenn wir an einem neuen Ort sind, sind wir immer gespannt, was es zum Zmorge gibt. Heute freuen wir uns besonders darauf, denn im BluePoint Hotel in Tepelenë gabs – nichts.

Unsere Gastgeberin füllt den Zmorgetisch mit gekochten Eiern (ganz was Neues, normalerweise gibts Spiegeleier oder Omeletts), Gurken, Tomaten, Oliven, Feta, Brot, Butter, Feigenkonfi und Honig – sehr speziellen Honig, von der Konsistenz her würde ich auf Heidehonig tippen. Und, das Besondere: es schwimmen Gewürznelken drin! Diese geben ihm einen würzigen, fast weihnachtlichen Beigeschmack. Sehr fein!

Heute hält das Wetter, was die Prognosen versprochen haben: Es regnet. Eine gute Gelegenheit, die grosse Burg oberhalb der Stadt zu besuchen.

Diese ist eindrücklich, riesig, verwinkelt, mit vielen Treppen, dunklen Gängen,

mit Grabstätten irgendwelcher „Babas“

und mit (ur-)altem Kriegsgerümpel.

Irgendwo in einer Ecke steht eine malträtierte Jesus-Figur herum – sie will nicht so recht zum Rest passen…

Alles in allem sind die alten Mauern sehr eindrücklich. Es hat wohl durchaus seinen Grund, dass sie 2005 auf die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen wurden.

Uns fällt auf, dass kaum etwas gesichert ist, es gibt kaum Geländer oder Absperrungen. Wer will, kann auf die Mauern klettern, auch wenns auf der anderen Seite 20 oder 50 Meter runtergeht.

Einzig der Wunsch, man möge doch die Burg bitte auf dem offiziellen Weg verlassen, soll uns wohl von einem beherzten Sprung von der Mauer abhalten.

im Nachhinein fragen wir uns, wie wir es geschafft haben, solche menschenleeren Bilder zu schiessen – immer wieder wurde die Burg von regelrechten Beruchertsunamis überrollt…..

Gjirokaster – und schon wieder eine Ali-Pasha-Brücke

Montag, 1. Mai

Eigentlich sollte es seit gestern Nachmittag regnen. Aber bis jetzt ist, jedenfalls bei uns, noch kein Tropfen vom Himmel gefallen. Der Himmel ist bewölkt, aber es ist freundlich.

Uns solls recht sein.

Wir wollen heute weiter nach Gjirokaster, eine Stadt rund 35 Kilometer weiter südlich. Weil die Wetterprognosen für die nächsten Tage beharrlich weiterhin Regen androhen, wollen wir drei oder vier Tage bleiben. Natürlich hoffen wir trotzdem auf trockenes Wetter, so dass wir die Gegend trockenen Hauptes erkunden können.

Am Busbahnhof werden wir von einem jungen Mann angesprochen. Ob wir nach Sarande wollen, will er wissen. Der Bus warte schon und fahre gleich ab.

Nein, Gjirokaster, antworten wir.

Der nächste Bus fahre erst um vier, weil heute der 1. Mai sei. Aber er würde uns fahren, in seinem eigenen Auto. Für 15 Euro – 7.50 pro Person.

Wir beratschlagen und beschliessen, das Angebot anzunehmen.

Reto hat ihn offensichtlich falsch verstanden und meint, es koste 15 Euro pro Person. Er gibt dem Mann 30 Euro – der zuckt mit keiner Wimper und steckt das Geld ein…

Eigentlich hat er recht. Im Moment läuft nicht viel, und er wird das Geld gebrauchen können.

Auf der Fahrt erzählt er uns von Tepelenë, von Gjirokaster, er zeigt uns die vielen Wasserstellen am Strassenrand. Offensichtlich ist die Gegend berühmt für ihr gutes Wasser, und an jeder Wasserstelle steht eine Traube von Leuten, die ihre Wasserbehälter auffüllen.

Der junge Mann sagt sinngemäss auch, dass in Albanien zu Zeiten des Kommunismus alles besser gewesen sei. Die Leute seien sicher gewesen, sie hätten genug zu essen gehabt, die Kriminalität sei tief gewesen.

Nach der Öffnung sei es richtig gefährlich geworden in Albanien, viel Korruption, Kriminalität, und den Leuten sei es schlecht gegangen.

Edi Rama aber rühmt er. „He is working hard“, er bekämpfe die Korruption, sorge für gute Strassen und wirtschaftlichen Aufschwung.

In Gjirokaster angekommen, suchen wir erst mal eine Bleibe. Auf dem Weg zur Altstadt werden wir alle paar Meter angesprochen. Ein Kellner will unsere Rucksäcke hüten, währenddem wir die Stadt erkunden, ein älterer Mann warnt uns vor den „schlechten“ Früchten, die am Strassenrand angeboten werden („only supermarket food is good“).

Am Rand der Old Town finden wir ein Zimmer im Guesthouse Bake, bei einer jungen Familie. Das Zimmer ist im Untergeschoss, etwas dunkel, aber wir haben draussen eine Terrasse für uns. Also ganz gemütlich.

Nebst dem Badezimmer haben wir sogar eine Art Mini-Küche, allerdings ohne Kochgelegenheit, und ohne Kühlschrank 😅

Es regnet immer noch nicht. Das wollen wir ausnützen und starten gleich zu einer Erkundungstour, alles bergauf, zur Stadt hinaus. Kaum haben wir die Stadtmauern hinter uns gelassen, finden wir uns in einer atemberaubend schönen Landschaft wieder. Und seltsamerweise hat man auch sofort das Gefühl, mitten in der Wildnis und fern jeglicher Zivilisation zu sein.

und dort, in dieser wunderbaren Natur, steht die Ali-Pasha-Brücke.

Moment – das hatten wir doch schon. Sind wir nicht vorgestern über die Ali-Pasha-Brücke nach Tepelenë gehumpelt?

Tatsächlich, die Brücke über die Vjosa in Tepelenë heisst so, und das Bauwerk über Gjirokaster ebenfalls. Nur war letzteres ursprünglich nicht als Brücke gedacht gewesen, sondern als Aquaedukt. Die Wasserleitung speiste scheints vor gut 200 Jahren die Burg von Gjirokaster.

Heute ist sie einfach ein herziges 30 Meter hohes Brüggli ohne Geländer, aber breit genug, dass auch ich mich locker darübergetraue.

auf dem Rückweg, an Ziegen, Schafen und Pferden vorbei, kreuzt eine recht grosse Schlange unseren Weg, aber es geht leider viel zu schnell, wir können sie nicht genauer anschauen.

Wieder in der Stadt, kommen wir an einem Tunnel vorbei, der natürlich unsere Neugier weckt. Die ersten paar Meter erkennen wir nichts – es ist stockdunkel. Doch dann, nach einer leichten Kurve, erhellt eine trübe Funzel den Gang. Und weiter vorne wieder eine. So tasten wir uns langsam vor, der Tunnel führt offenbar unter der Burg hindurch.

Da ertönt plötzlich lautes Motorengeräusch. Kommt uns ein Auto entgegen? Bitte nicht – der Tunnel hat nur knapp die Breite eines Autos, wenn da einer daherkommt, werden wir bestimmt zerquetscht! Der Motorenlärm wird rasch lauter, voller Panik suche ich nach einer Nische in der Wand… nichts.

Da ebbt der Lärm wieder ab. Puh! Offenbar ist beim Ausgang ein Auto vorbeigefahren, und der Schall hat sich im Tunnel ausgebreitet und verstärkt.

Ich muss zugeben, ich bin froh, als wir heil am anderen Ende wieder herauskommen. Und: Auf dem Weg zu unserem Guesthouse wars eine massive Abkürzung.

glücklich zurück beim Guesthouse

Tepelenë

Sonntag, 30. April

Heute solls regnen, sagen alle konsultierten Wetterpropheten. Und wir sind etwas erschlagen von den Anstrengungen des gestrigen Tages. Deshalb gönnen wir uns einen Ruhetag in Tepelenë und buchen eine weitere Nacht im BluePoint Hotel.

Unser Vormittagspaziergang führt uns zu einem Platz oberhalb des Dorfes, der von Weitem auffällt. Dort angekommen, stellen wir fest, dass es sich offensichtlich um einen Friedhof handelt.

ein Partisanenfriedhof, wie wir später erfahren werdem. Der grösste Teil der Grabplatten gibt als Todesjahr 1943 oder 1944 an.

Und, wie wir dank Google erfahren, heisst der Schriftzug in der Mitte, „LAVDI DESHMOREVE“, aud deutsch „Ruhm den Märtyrern“.

allerdings gibts auch einzelne Gräber mit früheren oder späteren Todesdaten. Auch ein 10-jähriger Bub, der 1988 gestorben ist, ist dabei.

Aber der neue Friedhof ist unten im Dorf, gleich bei unserem Hotel. Und da finden wir von der einfachen, unbeschrifteten Steinplatte, die in die Erde gesteckt wurde, bis zum Grabmal alles.

wie auch immer, natürlich besichtigen wir auch die Stadt. Das ist allerdings „e churze Chutt“, die Stadt ist klein.

Auch hier sind, wie in Memaliaj, die Häuser in unterschiedlichem Zustand – bei einigen hätte ich Bedenken, sie zu betreten, aber da wohnen Leute darin!

Ich habe ja im Vorfeld gelesen, Albanien sei eines der ärmsten Länder Europas. Aber eine Vorstellung davon, was das bedeutet, hatte ich nicht wirklich. Eben, zum Beispiel, dass viele Menschen in erbärmlichen Verhältnissen leben – zumindest in unseren Augen.

Wie schlimm das für die Leute selber ist, können wir nicht beurteilen. Und wie es im Innern der Häuser aussieht, wissen wir auch nicht.

Was uns auffällt, ist, dass die meisten Menschen – vor allem die älteren – einen zufriedenen Eindruck machen. Sie freuen sich über ein freundliches „Pershendetje“ (hallo) und ein „Falleminderit“ (danke) und plaudern gern mit uns, selbst, wenn wir einander kaum verstehen.

Jüngere Leute sprechen uns zwar auch oft an, aber sie wirken distanzierter, weniger herzlich irgendwie routiniert. „How are you? Where you come from? Do you like Albania? Have a nice day.“ Die Antwort wird kaum abgewartet.

An (oder in) der Vjosa spazieren wir natürlich auch, das Flussbett ist auf der Höhe von Tepelenë wohl um die 200 Meter breit. Im Moment viele Kiesbänke, das Wasser sucht sich seinen Weg hindurch. Ob es hier auch Hochwasser gibt?