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Auf den Spuren von Caro und Jasi

Samstag, 6. Mai

Auch letzte Nacht ist die Nachtigall nicht verstummt. Und offenbar haben einige Tiere unser Zelt inspiziert – keine Ahnung, welche. Aber wie es aussieht, haben wir das Zelt genau auf einem Wildwechsel platziert, und so waren wohl einige irritiert, weil sie nicht ihre gewohnte Route einschlagen konnten.

Aber mehr als ein empörtes Grunzen wars ihnen dann doch nicht wert.

Nach dem Aufstehen reservieren wir im Guesthouse Duli im übernächsten Dorf Sheper per Whatsapp ein Zimmer für heute Abend, was uns umgehend bestätigt wird. Der Preis: 70 Euro. Ziemlich viel für albanische Verhältnisse, denken wir. Normalerweise kostet ein Doppelzimmer weniger als die Hälfte. Aber die Aussicht, wieder mal in einem Bett zu schlafen, ist zu verlockend.

Wir haben Glück – ganz in der Nähe unseres Zeltplatzes befindet sich ein Brunnen, wo wir vor dem Weiterwandern immerhin eine Katzenwäsche machen können.

Auch heute ist Petrus uns wohlgesonnen, der Himmel ist blau, die Sonne scheint, besser könnte es nicht sein!

Die erste Etappe ist ganz schön steil, und wir kommen rasch ins Schwitzen. Wir sind froh, als wir im nächsten Dorf – Poliçan – ankommen, und noch mehr, als sich eines der ersten Häuser als Bar entpuppt, wo wir im Schatten eines Baumes einen feinen Espresso schlürfen können. Und gleich noch einen. Dazu serviert ums der Barbesitzer einen Liter Wasser, den er am Brunnen bei der Kirche holt. Wer Trinkwasser will, holt dieses offensichtlich beim Dorfbrunnen.

Man merkt, dass wir uns hier nahe der griechischen Grenze befinden; die Männer in der Bar reden alle griechisch. Einer will ein Gespräch mit uns beginnen, fragt „How do you do?“ Das sind ganz offenbar die einzigen englischen Worte, die er kennt, denn gleich darauf gibt er und zu verstehen, er sei Grieche und könne keine andere Sprache ausser griechisch. Und er unterhält sich nun stumm, nur mit Gesten, mit uns.

Vier Kaffee und ein Liter Wasser kosten hier übrigens 200 Lekë, weniger als zwei Franken.

Nach dem Dorf wird das Gelände flacher, das Wandern wird angenehmer.

In einiger Entfernung sehen wir im Wald eine byzanthinische Kirche. Dort wollen wir hin, für die Mittagspause. Den Weg dahin zu finden, erweist sich als nicht ganz einfach. Es hat so viele Weglein, meist verdecken uns Bäume den Blick auf die Kirche, so dass wir immer wieder die Richtung verlieren. Zudem müssen wir noch eine kleine Schlucht inklusive Bach überwinden.

Auf verschlungenen Pfaden erreichen wir die Kirche schliesslich doch noch, nicht zuletzt dank Retos feinem Gespür fürs Gelände und wie man Hindernisse am besten überwindet.

Die Kirche ist ein echtes Kleinod. Die Tür ist leider verschlossen – zu gern hätten wir einen Blick ins Innere geworfen!

Aber immerhin könnte der Platz bei der Kirche nicht idealer sein für unsere Mittagsrast. Wir sitzen auf einer steinernen Bank unter einem mächtigen Baum und geniessen es, einfach da zu sein.

Hier in der Gegend befinden sich übrigens einige uralte orthodoxe Kirchen, wie wir dank Google Earth herausgefunden haben. Nicht wenige sind noch im ursprünglichen Zustand, mit gut erhaltenen Fresken. Auch links und rechts unseres Weges wären schon ein paar gestanden. Wir haben im Internet Bilder von ihnen gefunden, es müssen echte Kunstwerke sein.

Warum wir sie nicht besuchten? Sie befinden sich allesamt weit von der Strasse entfernt in unwegsamem, steilem Gelände, und wir hätten für jede mehrere hundert Höhenmeter überwinden müssen – ohne Gewähr, dass wir sie überhaupt finden würden. Mit einem schweren Rucksack am Rücken überlegt man sich dies nicht nur zweimal… und wir haben jeweils mit grossem Bedauern verzichtet.

Wir vermuten, dass gerade die sehr abgelegenen Standorte die Kirchen gerettet haben. Als der Diktator Enver Hoxha sämtliche Religionen verbot, liess er auch die Kirchen und Moscheen entweder abreissen oder umnutzen. Die Gotteshäuser weitab der Dörfer wurden dabei wohl einfach „vergessen“.

Die Kirchen in den Dörfern sehen zwar von weitem sehr ursprünglich aus, aus der Nähe erkennt man aber, dass sie recht neu sind – nach altem Vorbild wieder aufgebaut. Wie auch jene von Poliçan.

Nun gehts die paar Kilometer bis zum Dorf Sheper recht flach weiter – ein Genuss! Und die Landschaft ist wunderschön.

Etwas gewöhnungsbedürftig sind die Wegweiser. Sie stehen mit Vorliebe bei Abzweigungen und sorgen bei uns mehr als einmal für Verwirrung.

Zeigt der Pfeli nach links, heisst das noch lange nicht, dass man nun nach links abzweigen muss. Es kann genau so gut bedeuten, dass man geradeaus weitergehen soll.

Bis jetzt haben wir nicht herausgefunden, wann was gilt. Zum Glück gibts Google Maps – das ist im Zweifelsfall zuverlässiger!

Kurz vor Sheper machen wir etwas oberhalb der Strasse nochmals Rast. Hinter uns kommen von rechts sechs oder sieben Kühe den Hang hinunter, die Leitkuh voran, die anderen, wie auf einer Perlenschnur aufgereiht, hinterher. Sie laufen ein paar Meter von uns entfernt an uns vorbei auf die Strasse hinunter und weiter nach links. Offensichtlich wollen sie den Bach überqueren, um auf die Wiese unterhalb der Strasse zu gelangen. Gemessenen Schrittes schreitet die Leitkuh voran. Da dreht sie den Kopf, bemerkt uns, und bleibt bockstill stehen. Die anderen hinter ihr ebenfalls. Die Leitkuh macht Anstalten, weiterzugehen, nach einem halben Schritt bleibt sie wieder stehen, schaut genauer hin. Da oben stimmt etwas nicht!

Wir rühren uns nicht. Die Kühe ebenfalls, eine gefühlte Ewigkeit.

Wer hält es länger aus?

Schliesslich dreht sich die Leitkuh zu den anderen um, als wollte sie sie fragen, was nun zu tun sei. Sie wissen es offenbar auch nicht. Ans Weitergehen ist nicht zu denken, also stehen alle unschlüssig herum. Auch, als wir schliesslich aufstehen und weitergehen. Offenbar haben wir durch unsere blosse Anwesenheit ihren Sinn für Ordnung, oder was auch immer, nachhaltig gestört.

Endlich kommen wir im Guesthouse an. Eine sehr herzliche ältere Dame empfängt uns, bietet uns gleich Kaffee an. Sie spricht nur albanisch und italienisch, wir verstehen beides schlecht. Es kommt zu diversen Missverständnissen. Sie redet vom Nachtessen, wir verstehen Morgenessen, sie zeigt uns die kleine Küche, wir denken, dass wir dort kochen können. Später kommt aus, dass sie da kocht. Für alle, etappenweise.

Ich schreibe Caro, wo wir sind, und da kommt aus: Vor fast genau einem Jahr waren sie und Jasi auch dort! Sie sind damals die selbe Strecke gegangen wie wir, nur in die entgegengesetzte Richtung.

Das zu wissen, macht den Aufenthalt im Guesthouse Duli gleich doppelt so schön.

Inzwischen haben wir übrigens herausgefunden, dass die 70 Euro für zwei Personen mehr als gerechtfertigt sind: Im Preis inbegriffen sind nämlich ein sehr reichhaltiges, superleckeres Nachtessen, das Morgenessen und eine Wegzehrung für die Weiterreise morgen.

unser Znacht

Ab in die Berge

Freitag, 5. Mai

Die erste Nacht im Zelt. Wir hatten erwartet, dass es spätestens, wenn es ganz dunkel ist, ruhig werden würde – dass die Frösche aufhören zu quaken und die vielen Vögel verstummen. Die Frösche gaben tatsächlich irgendwann Ruhe. Und die meisten Vögel auch.

Nur eine Vogelart wollte partout nicht schlafen – die Nachtigall. Die ganze Nacht hindurch sang, zwitscherte, plauderte sie – es ist faszinierend, was für ein riesiges Repertoire sie hat. Auch der spätabends einsetzende Regen hielt sie nicht vom Singen ab.

Und wir wurden somit während unseren wachen Phasen bestens unterhalten!

Heute gehts nun in die Berge, die frisch geteerte Strasse hoch ins Dorf Suhë. Wir haben im Vorfeld auf Google Earth nachgesehen und uns gefreut, dass die Strasse nach Permet grösstenteils einen Kiesbelag hat, was viel angenehmer zum Wandern ist als Teer. Nun wurde aber der Abschnitt bis Suhë tatsächlich in den letzten Tagen geteert! Wir haben gestern Abend noch die Strassenbauer gesehen, wie sie die letzten Meter fertigstellten.

was solls – wir nehmen es, wie es ist und freuen uns über das schöne Wetter und die Blumenwiesen links und rechts der Strasse.

Zum Glück fahren nur ganz wenige Autos diese Strasse hoch. Und alle, die vorbeifahren, hupen und winken. Einer ruft durchs offene Fenster: „Welcome“! Ja, so fühlt man sich tatsächlich willkommen!

Nach Suhë, wo wir kurz ins Innere einer orthodoxen Kirche geworfen

und einen Friedhof besucht haben

wandern wir wieder auf einer Naturstrasse. Cool!

Einen Pfad zu suchen, der mit unseren Wanderwegen vergleichbar wäre, ist leider chancenlos. Es gibt nur diese Strasse durch die Schlucht, und fertig.

Ab und zu zweigen zwar schmale Wege ab, sie enden aber alle irgendwo im Dickicht.

Die Sonne brennt heiss vom Himmel, der schwere Rucksack drückt, die Strasse scheint immer steiler zu werden… so schön die Landschaft ist: Das Wandern ist auch hier nicht immer das reinste Vergnügen! Wir sind dankbar, als wir an einem kleinen Bach vorbeikommen, wo wir unsere Köpfe kühlen und vom kalten Wasser trinken können. Wir sind ja in den Bergen, und wir haben uns vergewissert, dass oben, wo der Bach herkommt, kein Dorf ist. So gehen wir davon aus, dass das Wasser sauber ist.

In der Schlucht einen Platz zum Zelten zu finden, können wir vergessen – links der Strasse gehts steil bergauf, rechts ebenso steil runter zum Fluss. So sehnen wir gegen Abend das Ende der Schlucht herbei und hoffen auf ein flaches Plätzchen abseits der Strasse.

Endlich weitet sich die Schlucht, und tatsächlich erstrecken sich rechts und links einladende Wiesen. Und so viele potenzielle Zeltplätze, dass wir uns fast nicht entscheiden können…

Irgendwann sind wir uns einig. Etwas oberhalb der Strasse, gut geschützt durch Hecken, steht unser Zelt bald darauf an einem lauschigen Ort, vor neugierigen Blicken geschützt.

und wir sind froh, dass wir endlich in unsere Schlafsäcke kriechen und uns ausruhen können.

Katër ditë

Donnerstag, 4. Mai

Es ist nicht ganz einfach, Gjirokastër zu Fuss zu verlassen, jedenfalls, wenn man über die Hauptstrasse im Nordosten der Stadt will. Und noch dazu mit einem grossen, schweren Rucksack. Da stehen reihenweise Taxi-, Bus- und Furgonfahrer, die dich unbedingt irgendwohin bringen wollen. Und dazu noch einige Privatchaffeure, die das selbe tun wollen.

Wir schaffen es, sämtliche Hilfsangebote abzuwehren und machen uns auf den bereits bekannten Weg nach Arshi Lengo. Und weiter Richtung Berge.

Nachdem wir letzte Woche mit unserem Vorhaben, zu zelten, wegen Schafen und Hunden kläglich gescheitert sind, haben wir unsere zfuess-Vorbilder Caro und Jasi um Rat gefragt. Sie haben uns versichert, dass die Tiere in der Nacht nie unterwegs seien und wir also auch mitten auf einer Schafweide ungestört zelten könnten, wenn wir am Abend nur lange genug warteten.

Das motiviert uns, es nochmals zu versuchen Heute wird gezeltet!

Seit wir die Küste verlassen haben, haben wir keinen einzigen Bunker mehr gesehen. Wir glaubten schon, jene im Landesinneren seien alle eliminiert worden. Jetzt aber entdecken wir sie reihenweise entlang der Strasse. Zum Teil sind sie fast völlig von Brombeergestrüpp überwachsen, zum Teil scheinen sie noch für irgend etwas gebraucht zu werden.

Einer der grossen macht sogar einen bewohnten Eindruck.

Natürlich kommen wir auch heute an Schaf- und Ziegenherden vorbei. Mit einem alten Schafhirten plaudern wir ein wenig – er auf Albanisch, wir mit dem wenigen Albanisch, das wir inzwischen können, und abgesehen davon mit Händen und Füssen.. Er erzählt, er sei Pensionista, 70 Jahre alt. Und er würde uns gern zu einem Kaffee einladen, aber er wohne da drüben, und seine Schafe seien jetzt hier.

Wir erklären ihm, dass wir nach Permet wollen. Wo wir denn unser Auto hätten, will er wissen.

Als er hört, dass wir zu Fuss gehen, macht er grosse Augen. Zu Fuss? Über die verschneiten Berge? „Katër ditë“ dauere das – vier Tage!

Katër ditë. Er sagt es immer wieder. Und schaut uns an, als hätten wir den Verstand verloren.

Ein lustiger Mann. Und eine lustige Unterhaltung. Ich hätte ihn gerne fotografiert, aber ich habe da grosse Hemmungen. Ich mag es selbst auch nicht, fotografiert zu werden, schon gar nicht von wildfremden Leuten. Aber immerhin, hier sind seine Schafe

später gilt es wieder einmal, einen Fluss zu überqueren. Inzwischen ist uns bewusst, dass nicht alles, was auf der Karte als Brücke eingezeichnet ist, auch wirklich eine Brücke ist, Es kann auch eine untiefe Stelle sein, die bei Niedrigwasser mit einem geeigneten Auto durchfahren werden kann.

An so einer Stelle stehen wir heute wieder. Wir kennen es ja schon, Socken und Schuhe ausziehen, durchwaten und hoffen, dass der Fluss nirgends zu tief ist. Während wir rüberwaten, kommt uns ein Hund entgegen. Es ist ein bisschen, als ob er uns zeigen wollte, dass er das auch kann. Er durchquert den Fluss, immer darauf bedacht, dass wir ihm zuschauen, und kommt dann wieder zurück.

Und, gerade als wir uns fragen, ob der Wasserstand im Moment zu hoch ist für ein Auto, kommt eins. Und zeigt uns, dass es sehr wohl geht.

Weiter gehts, dem Fluss entlang, wo an seichten Stellen die Frösche einen Höllenlärm machen, dann einer Staumauer entlang, wo der See bei totaler Windstille ein perfektes Spiegel-Bild bietet

zehn Minuten später kommt ein ganz leichter Wind auf – fertig Spiegelbild

schliesslich kommen wir an die Stelle, die wir auf der Karte als unseren Übernachtungsplatz vorgesehen haben, natürlich ohne zu wissen, wie es da in der Realität aussieht.

Wir haben Glück: Die Stelle am Fluss entpuppt sich als idealer Zeltplatz!

Bye bye Gjirokastër!

Donnerstag, 4. Mai

Nach drei spannenden Tagen in Gjirokaster verlassen wir die Stadt und ziehen Richtung Përmet weiter.

Wir haben viel Neues erlebt, erfahren, gelernt, uns über ein paar Dinge gewundert, gestaunt oder herzlich gelacht.

Ein paar Beispiele:

Im Innern der Burg stehen zwei kleine Häuser, auf den ersten Blick würde man auf Gartenhäuschen tippen.

Es sind aber Grabstätten von religiösen Führern, Baba genannt.

Auf der Türschwelle des einen Häuschens lagen, als Opfergaben? neben Münzen auch Süssigkeiten – Schokoriegel und Bonbons.

Einer dieser Babas muss ein rechtes Schläckmuul sein!

Ebenfalls in der Burg fanden wir dieses Schild – sicher kreativer als ein unfreundliches „Rasen betreten verboten“.

Anstelle der langweiligen Zäune aus Maschendraht findet man in Gjirokastër vielerorts Zäune aus solchen löchrigen Blechen.

Offenbar gab es (oder gibt es vielleicht immer noch) eine Besteckfabrik. Löffel, Gabeln und Messer wurden aus grossen Blechplatten ausgestanzt. Das aus den Resten entstandene Lochblech eignet sich, wie man sieht, vorzüglich zum Umzäunen eines Gartens, oder zum Schutz vor Vögeln.

…und hier hat jemand eine kreative Lösung gefunden, um das Regenwasser aufzufangen:

Der Besuch im Barbershop, zur Rasur, war eine leichte Enttäuschung, nur der Elektrorasierer wurde eingesetzt, das Rasiermesser lag nutzlos auf dem Frisiertisch. Das Ergebnis war trotzdem ausgezeichnet.

Besonders das Logo hat mir gefallen!

Am Schluss kam der Heissluftfön zum Einsatz, er pustet die Barthaare weg.

In einem Café stehen wir vor einem Rätsel, als uns der Kellner nebst der bestellten Espressi einen weiteren Unterteller hinstellt. Etwas Weisses, Flaches liegt darauf.

was könnte das sein? Eine Art Mini-Süssigkeit? Eine Zuckerschicht? Sollen wir den Teller vielleicht abschlecken?

Wir überlegen hin und her… vielleicht sollten wirs einfach mal probieren. Oder vielleicht doch nicht – – –

Zum Glück haben wir nichts dergleichen getan, denn plötzlich kommt Reto doch noch hinter den Sinn und Zweck des Tellers: Er soll als Aschenbecher dienen, das weisse Etwas ist ein nasses Stück Papier!

Wir malen uns das Gesicht des Kellners aus, wenn wir den Teller tatsächlich abgeschleckt hätten, und kugeln uns vor Lachen…….

Tausend und eine Blume

Mittwoch, 3. Mai

Die ganze Nacht hats geregnet, nun tropft es nur noch. Und es ist richtig kühl. Das Restaurant unseres Guesthouses hat keinen Innenbereich, so sitzen wir halt dick eongepackt draussen (immerhin am Schärme) beim Zmorge und beeilen uns, den Tee zu trinken, bevor er kalt ist

Heute wollen wir die andere Talseite erkunden. Das heisst, erst mal bergab durch die Stadt und unten die Talsohle durchqueren. Unser Zwischenziel ist ein Dorf mit dem für unsere Ohren wenig schmeichelhaften Namen Arshi Lengo.

Es tut gut, aus der Stadt raus zu sein. Arshi Lengo besteht nur aus ein paar Häusern, und ausser den Ziegen- und Schafhirten, die mit ihren Tieren den Hang entlang ziehen, begegnen wir keiner Menschenseele.

Die Hirten winken alle freundlich, und auch ihre Hunde sind uns wohlgesinnt. Ein alter Mann mit einer Kuh hat zwei junge Hunde bei sich – der eine begrüsst mich, als wäre ich sein lang vermisstes Frauchen.

Wir finden einen Weg hoch in die Hügel und stürzen uns dort in die Wildnis, um die Pflanzenwelt zu erkunden.

Wir werden nicht enttäuscht. Unser heutiges Highlight ist eine neue Ragwurzart mit für Ragwurzverhältnisse riesigen Blüten

unsere Bestimmungsapps (Flora incognita und Plantnet) sind sich nicht einig, ob es sich um die Oster- oder die Spinnen-Ragwurz handelt. Wunderschön sind sie auf jeden Fall!

wir finden noch weitere Orchideen, wie den Pflugschar-Zungenstendel, ein ganz spezielles Blüemli

aber auch abgesehen von diesen Besonderheiten ist die Vielfalt der Blumen absolut eindrücklich, wir können uns fast nicht sattsehen. Hier ist der Frühling voll ausgebrochen, es ist eine Pracht!

Auch meiner momentanen Lieblingsblume, der Cistrose, sind wir heute zum ersten Mal begegnet. Ich hoffe, wir finden auf der Weiterreise noch mehr, damit wir ab und zu einen Cistrosentee geniessen können.

Die Cistrose ist scheints eine ganz tolle Heilpflanze, sie wirkt antiviral, antibakteriell, entzündungshemmend… besser als jedes Antibiotikum!

Mauern, Treppen, Kriegsgerümpel

Dienstag, 2. Mai

Wenn wir an einem neuen Ort sind, sind wir immer gespannt, was es zum Zmorge gibt. Heute freuen wir uns besonders darauf, denn im BluePoint Hotel in Tepelenë gabs – nichts.

Unsere Gastgeberin füllt den Zmorgetisch mit gekochten Eiern (ganz was Neues, normalerweise gibts Spiegeleier oder Omeletts), Gurken, Tomaten, Oliven, Feta, Brot, Butter, Feigenkonfi und Honig – sehr speziellen Honig, von der Konsistenz her würde ich auf Heidehonig tippen. Und, das Besondere: es schwimmen Gewürznelken drin! Diese geben ihm einen würzigen, fast weihnachtlichen Beigeschmack. Sehr fein!

Heute hält das Wetter, was die Prognosen versprochen haben: Es regnet. Eine gute Gelegenheit, die grosse Burg oberhalb der Stadt zu besuchen.

Diese ist eindrücklich, riesig, verwinkelt, mit vielen Treppen, dunklen Gängen,

mit Grabstätten irgendwelcher „Babas“

und mit (ur-)altem Kriegsgerümpel.

Irgendwo in einer Ecke steht eine malträtierte Jesus-Figur herum – sie will nicht so recht zum Rest passen…

Alles in allem sind die alten Mauern sehr eindrücklich. Es hat wohl durchaus seinen Grund, dass sie 2005 auf die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen wurden.

Uns fällt auf, dass kaum etwas gesichert ist, es gibt kaum Geländer oder Absperrungen. Wer will, kann auf die Mauern klettern, auch wenns auf der anderen Seite 20 oder 50 Meter runtergeht.

Einzig der Wunsch, man möge doch die Burg bitte auf dem offiziellen Weg verlassen, soll uns wohl von einem beherzten Sprung von der Mauer abhalten.

im Nachhinein fragen wir uns, wie wir es geschafft haben, solche menschenleeren Bilder zu schiessen – immer wieder wurde die Burg von regelrechten Beruchertsunamis überrollt…..

Gjirokaster – und schon wieder eine Ali-Pasha-Brücke

Montag, 1. Mai

Eigentlich sollte es seit gestern Nachmittag regnen. Aber bis jetzt ist, jedenfalls bei uns, noch kein Tropfen vom Himmel gefallen. Der Himmel ist bewölkt, aber es ist freundlich.

Uns solls recht sein.

Wir wollen heute weiter nach Gjirokaster, eine Stadt rund 35 Kilometer weiter südlich. Weil die Wetterprognosen für die nächsten Tage beharrlich weiterhin Regen androhen, wollen wir drei oder vier Tage bleiben. Natürlich hoffen wir trotzdem auf trockenes Wetter, so dass wir die Gegend trockenen Hauptes erkunden können.

Am Busbahnhof werden wir von einem jungen Mann angesprochen. Ob wir nach Sarande wollen, will er wissen. Der Bus warte schon und fahre gleich ab.

Nein, Gjirokaster, antworten wir.

Der nächste Bus fahre erst um vier, weil heute der 1. Mai sei. Aber er würde uns fahren, in seinem eigenen Auto. Für 15 Euro – 7.50 pro Person.

Wir beratschlagen und beschliessen, das Angebot anzunehmen.

Reto hat ihn offensichtlich falsch verstanden und meint, es koste 15 Euro pro Person. Er gibt dem Mann 30 Euro – der zuckt mit keiner Wimper und steckt das Geld ein…

Eigentlich hat er recht. Im Moment läuft nicht viel, und er wird das Geld gebrauchen können.

Auf der Fahrt erzählt er uns von Tepelenë, von Gjirokaster, er zeigt uns die vielen Wasserstellen am Strassenrand. Offensichtlich ist die Gegend berühmt für ihr gutes Wasser, und an jeder Wasserstelle steht eine Traube von Leuten, die ihre Wasserbehälter auffüllen.

Der junge Mann sagt sinngemäss auch, dass in Albanien zu Zeiten des Kommunismus alles besser gewesen sei. Die Leute seien sicher gewesen, sie hätten genug zu essen gehabt, die Kriminalität sei tief gewesen.

Nach der Öffnung sei es richtig gefährlich geworden in Albanien, viel Korruption, Kriminalität, und den Leuten sei es schlecht gegangen.

Edi Rama aber rühmt er. „He is working hard“, er bekämpfe die Korruption, sorge für gute Strassen und wirtschaftlichen Aufschwung.

In Gjirokaster angekommen, suchen wir erst mal eine Bleibe. Auf dem Weg zur Altstadt werden wir alle paar Meter angesprochen. Ein Kellner will unsere Rucksäcke hüten, währenddem wir die Stadt erkunden, ein älterer Mann warnt uns vor den „schlechten“ Früchten, die am Strassenrand angeboten werden („only supermarket food is good“).

Am Rand der Old Town finden wir ein Zimmer im Guesthouse Bake, bei einer jungen Familie. Das Zimmer ist im Untergeschoss, etwas dunkel, aber wir haben draussen eine Terrasse für uns. Also ganz gemütlich.

Nebst dem Badezimmer haben wir sogar eine Art Mini-Küche, allerdings ohne Kochgelegenheit, und ohne Kühlschrank 😅

Es regnet immer noch nicht. Das wollen wir ausnützen und starten gleich zu einer Erkundungstour, alles bergauf, zur Stadt hinaus. Kaum haben wir die Stadtmauern hinter uns gelassen, finden wir uns in einer atemberaubend schönen Landschaft wieder. Und seltsamerweise hat man auch sofort das Gefühl, mitten in der Wildnis und fern jeglicher Zivilisation zu sein.

und dort, in dieser wunderbaren Natur, steht die Ali-Pasha-Brücke.

Moment – das hatten wir doch schon. Sind wir nicht vorgestern über die Ali-Pasha-Brücke nach Tepelenë gehumpelt?

Tatsächlich, die Brücke über die Vjosa in Tepelenë heisst so, und das Bauwerk über Gjirokaster ebenfalls. Nur war letzteres ursprünglich nicht als Brücke gedacht gewesen, sondern als Aquaedukt. Die Wasserleitung speiste scheints vor gut 200 Jahren die Burg von Gjirokaster.

Heute ist sie einfach ein herziges 30 Meter hohes Brüggli ohne Geländer, aber breit genug, dass auch ich mich locker darübergetraue.

auf dem Rückweg, an Ziegen, Schafen und Pferden vorbei, kreuzt eine recht grosse Schlange unseren Weg, aber es geht leider viel zu schnell, wir können sie nicht genauer anschauen.

Wieder in der Stadt, kommen wir an einem Tunnel vorbei, der natürlich unsere Neugier weckt. Die ersten paar Meter erkennen wir nichts – es ist stockdunkel. Doch dann, nach einer leichten Kurve, erhellt eine trübe Funzel den Gang. Und weiter vorne wieder eine. So tasten wir uns langsam vor, der Tunnel führt offenbar unter der Burg hindurch.

Da ertönt plötzlich lautes Motorengeräusch. Kommt uns ein Auto entgegen? Bitte nicht – der Tunnel hat nur knapp die Breite eines Autos, wenn da einer daherkommt, werden wir bestimmt zerquetscht! Der Motorenlärm wird rasch lauter, voller Panik suche ich nach einer Nische in der Wand… nichts.

Da ebbt der Lärm wieder ab. Puh! Offenbar ist beim Ausgang ein Auto vorbeigefahren, und der Schall hat sich im Tunnel ausgebreitet und verstärkt.

Ich muss zugeben, ich bin froh, als wir heil am anderen Ende wieder herauskommen. Und: Auf dem Weg zu unserem Guesthouse wars eine massive Abkürzung.

glücklich zurück beim Guesthouse

Tepelenë

Sonntag, 30. April

Heute solls regnen, sagen alle konsultierten Wetterpropheten. Und wir sind etwas erschlagen von den Anstrengungen des gestrigen Tages. Deshalb gönnen wir uns einen Ruhetag in Tepelenë und buchen eine weitere Nacht im BluePoint Hotel.

Unser Vormittagspaziergang führt uns zu einem Platz oberhalb des Dorfes, der von Weitem auffällt. Dort angekommen, stellen wir fest, dass es sich offensichtlich um einen Friedhof handelt.

ein Partisanenfriedhof, wie wir später erfahren werdem. Der grösste Teil der Grabplatten gibt als Todesjahr 1943 oder 1944 an.

Und, wie wir dank Google erfahren, heisst der Schriftzug in der Mitte, „LAVDI DESHMOREVE“, aud deutsch „Ruhm den Märtyrern“.

allerdings gibts auch einzelne Gräber mit früheren oder späteren Todesdaten. Auch ein 10-jähriger Bub, der 1988 gestorben ist, ist dabei.

Aber der neue Friedhof ist unten im Dorf, gleich bei unserem Hotel. Und da finden wir von der einfachen, unbeschrifteten Steinplatte, die in die Erde gesteckt wurde, bis zum Grabmal alles.

wie auch immer, natürlich besichtigen wir auch die Stadt. Das ist allerdings „e churze Chutt“, die Stadt ist klein.

Auch hier sind, wie in Memaliaj, die Häuser in unterschiedlichem Zustand – bei einigen hätte ich Bedenken, sie zu betreten, aber da wohnen Leute darin!

Ich habe ja im Vorfeld gelesen, Albanien sei eines der ärmsten Länder Europas. Aber eine Vorstellung davon, was das bedeutet, hatte ich nicht wirklich. Eben, zum Beispiel, dass viele Menschen in erbärmlichen Verhältnissen leben – zumindest in unseren Augen.

Wie schlimm das für die Leute selber ist, können wir nicht beurteilen. Und wie es im Innern der Häuser aussieht, wissen wir auch nicht.

Was uns auffällt, ist, dass die meisten Menschen – vor allem die älteren – einen zufriedenen Eindruck machen. Sie freuen sich über ein freundliches „Pershendetje“ (hallo) und ein „Falleminderit“ (danke) und plaudern gern mit uns, selbst, wenn wir einander kaum verstehen.

Jüngere Leute sprechen uns zwar auch oft an, aber sie wirken distanzierter, weniger herzlich irgendwie routiniert. „How are you? Where you come from? Do you like Albania? Have a nice day.“ Die Antwort wird kaum abgewartet.

An (oder in) der Vjosa spazieren wir natürlich auch, das Flussbett ist auf der Höhe von Tepelenë wohl um die 200 Meter breit. Im Moment viele Kiesbänke, das Wasser sucht sich seinen Weg hindurch. Ob es hier auch Hochwasser gibt?

Beware of the dogs

Samstag, 29. April

Memaliaj ist ein recht kleines Dorf, und viele Häuser sind verlassen und am Zerfallen. Ein recht trauriges Bild…

umso erstaunlicher ist es, dass es in Memaliaj mehrere recht gut sortierte Lebensmittelläden gibt.

Auch hier, wie schon in Orikum, gibt es allerdings keine modernen Kassen. Der Strichcode eines Produkts wird eingelesen, dann wird der Preis auf einen Zettel geschrieben. Sind alle Preise aufgelistet, kommt ein vorsintflutlicher Taschenrechner zum Einsatz, mit dem alles zusammengezählt wird. Etwas umständlich, aber durchaus praktikabel. Und da hier offenbar alle Leute genug Zeit haben, wird auch niemand nervös, wenns etwas länger dauert.

So, nun wird es aber Zeit, in die Wildnis aufzubrechen. Wir haben im Sinn, etwas oberhalb der Vjosa zu wandern, aber im grossen Ganzen ihrem Verlauf zu folgen, der sich in weiten Schlaufen durch die Ebene windet.

Erst mal gehts steil bergauf, zwischen hohen Zäunen hindurch. Ab und zu steht eine Kuh oder ein Schaf vor einer Hütte, Menschen sind vorerst nicht auszumachen.

dafür ab und zu eine Vogelscheuche

erst zuoberst, bei einem Haus, begegnen wir einer älteren Frau, die uns kritisch beäugt.

Wir grüssen sie freundlich, bleiben stehen, zeigen in die Richtung, in die wir gehen wollen und sagen: Tepelenë?

Die Frau macht grosse Augen, dann prasselt eine Worttirade auf uns ein – – – natürlich verstehen wir kein Wort, trotzdem wird rasch klar: Sie ist der Meinung, dass wir auf diesem Weg nie und nimmer nach Tepelenë kommen. Nein, wir müssen zurück, und alles der Hauptstrasse entlang.

Wir zeigen ihr auf dem Handy, welchen Weg wir nehmen wollen – ein neuer Wortschwall, wohl mit dem Inhalt, dass so ein blödes Telefon wohl nicht mehr weiss als sie.

Sie bleibt dabei: Wir müssen umkehren.

Zum Glück liegt weiter vorne noch ein Weiler. Wir behaupten nun, wir wollten da hin, und sie lässt uns widerwillig ziehen.

Der Weg führt uns durch eine wunderschöne Landschaft, ab und zu erhaschen wir einen Blick zurück auf Memaliaj und die Vjosa.

Wir kommen an alten, verlassenen Häusern und Häuschen vorbei

es ist ein Genuss…

…bis wir in der Ferne Hundegebell vernehmen.

Wir haben im Vorfeld schon von den albanischen Hunden gelesen und gehört. Die zahlreichen wilden Hunde, die meist in der Nähe von Dörfern leben, seien meist kein Problem, und wenn sie aufdringlich würden, solle man einfach einen Stein aufheben und so tun, als wolle man ihn in ihre Richtung werfen, dann würden sie sich schon verziehen.

Bei Hof- und Hirtenhunden sei es allerdings nicht immer so einfach, weil diese etwas zu verteidigen hätten…

Und ich muss gestehen, was Hunde betrifft, bin ich der grösste Angsthase, den man sich vorstellen kann.

Wir sind hier weit von einem Dorf entfernt. Ich höre Glockengebimmel. Und schliesse messerscharf: Hier hats Schafe und/oder Ziegen, und der, der bellt, hat etwas zu verteidigen.

Zu meiner Verteidigung halte ich in der einen Hand einen Stock, in der andern einen Stein. Und im Hosensack, für den absoluten Notfall, einen Pfefferspray.

Aber das ist noch lange kein Grund, mich nur ansatzweise sicher zu fühlen. Einzig die Anwesenheit von Reto lässt mir ein klitzekleines Bisschen Hoffnung, dass ich einen Hundeangriff eventuell überleben könnte.

Und da steht er schon, der Hund – rund 30 Meter vor uns, mitten auf der Strasse, und bellt, was das Zeug hält.

Wir bleiben stehen und warten ab. Gehen ein paar Schritte zurück, er folgt uns, immerhin mit gebührendem Abstand. Wir machen ein paar schritte auf ihn zu – er bleibt stehen, wirkt leicht verunsichert. „Seine“ Schafe weiden derweil zwei- dreihundert Meter weiter rechts, sind also ausser Reichweite.

Da kommt ein Lieferwagen angefahren, hält an, der Fahrer dreht die Scheibe herunter und brüllt den Hund an. Gibt uns dann mit Zeichen zu verstehen, wir sollen uns von dem Vieh nicht einschüchtern lassen. Und fährt weiter.

Wir laufen nun entschlossen weiter, probieren es nun auch mit Brüllen. Ein weiterer Hund nähert sich. Und noch einer.

Reto wirft einen Stein in ihre Richtung – und, oh Wunder, sie drehen ab!

Noch ein paarmal bellen, noch ein paar Scheinangriffe, dann sind wir an ihnen vorbei, ein ganz klein wenig mit stolzgeschwellter Brust…

aber leider nicht allzu lange, denn ein paar hundert Meter weiter wartet schon der nächste Hund.

Und wieder einer…

und wieder zwei…

gefühlt alle 500 Meter begegnen wir von jetzt an Hunden, mit und ohne Herde. Die einen tun, als wollten sie uns fressen, die andern laufen einfach vorbei.

Aber keiner greift uns wirklich ernsthaft an.

Eine hundefreie Phase nutzen wir für Erinnerungsfotos

Inzwischen sind wir etwa zehn Kilometer gewandert, nach Tepelenë sind es noch sechs. Die schweren Rucksäcke drücken auf unsere Schultern, die Hüftgelenke schmerzen… wir wollen uns langsam nach einem Platz für unser Zelt umsehen.

Wir folgen einem Bach mit kristallklarem Wasser und gelangen unversehens in ein idyllisches kleines Tal. Der Bach schlängelt sich durch, kleine Grasflächen wechseln sich mit Büschen ab. Und abgesehen vom Murmeln des Bachs ist es wunderbar ruhig.

Der ideale Zeltplatz!

Ein bisschen störend sind nur ein alter Mähdrescher und einige rostige landwirtschaftliche Geräte, die hier offensichtlich entsorgt wurden.

Darüber können wir grosszügig hinwegsehen…

Wir schauen uns bereits nach dem besten Platz fürs Zelt um, da ertönt Glockengebimmel. Und schon haben wir wieder drei Hunde am Hals.

Nichts wie weg hier!

Leider ist auch der weitere Weg von Schafen, Ziegen und Hunden gesäumt, und wir sehen keine Möglichkeit, irgendwo eine ruhige Ecke zu finden, wo wir uns niederlassen könnten.

Und wir gehen – oder vielmehr humpeln inzwischen – immer weiter und weiter, bis wir schliesslich, kurz vor dem Eindunkeln, die Vjosa über die wacklige Ali-Pascha-Brücke überqueren

und Tepelenë erreichen. Völlig erschöpft, aber vor allem erleichtert, beziehen wir ein Zimmer im BluePoint Hotel.

Das war höchste Zeit!

Nur Geduld…

Samstag.

Zeit, uns von Orikum und „unserer“ Fischerfamilie zu verabschieden und weiterzuziehen.

Heute solls nach Memaliaj gehen, in ein kleines Dorf an der Vjosa. Letztere war auch in Schweizer Medien in letzter Zeit ein Thema – der wohl letzte grosse noch unverbaute Fluss in Europa wurde vor rund sechs Wochen zum absolut geschützten Nationalpark erklärt. Er wird also weiterhin so fliessen dürfen, wie er will und darf auf seiner ganzen Länge nicht verbaut werden.

Item. An eben diese Vjosa solls gehen, und von Memaliaj aus wollen wir nach Tepelenë wandern und irgendwo unterwegs im Zelt übernachten.

Da wir schon Erfahrung mit den Furgon, den Kleinbussen, haben, sind wir auch zuversichtlich, dass wir das schaffen werden.

Im Dorf Orikum wissen wir ja schon, wo die Busse ungefähr stoppen, und bei einem dieser Punkte warten bereits zwei junge Frauen. Wir überlegen, kurz in einem Café noch einen Espresso trinken zu gehen, vor allem, damit wir vor der Fahrt noch aufs WC gehen können – da fährt schon ein Furgon vor. Der Chauffeur bestätigt uns, er fahre nach Vlorë, und wir steigen ein. Die Dreiviertelstunde Fahrt werden wir auch mit voller Blase noch schaffen. Denn wer weiss schon, wann der nächste Bus fährt?

Ein wenig wundern wir uns, dass die beiden jungen Frauen nicht einsteigen. Wo sie wohl hin wollen?

Pünktlich um zehn Uhr fährt der Bus also ab. Nach 100 Metern hält er wieder an, der Chauffeur steigt aus. Ebenso sein Beifahrer, anscheinend muss er dringend telefonieren.

Zehn Minuten später steigen die beiden wieder ein, die Fahrt geht weiter. 300 Meter, vielleicht auch 400, dann steigen beide wieder aus. Verhandeln draussen mit jemandem, fünf Minuten, zehn Minuten…

endlich steigen sie wieder ein. Nach weiteren 50 Metern wendet der Bus, wir fahren wieder Richtung Dorf. Nach einem weiteren Stopp und einem neuerlichen Wendemanöver stehen wir wieder an unserer „alten“ Haltestelle. Und nun steigen auch die beiden jungen Frauen ein.

Offensichtlich wussten sie mehr als wir…..

Nun aber, pünktlich um halb elf, fahren wir ab, Richtung Vlorë!

Der Strand ist auf der ganzen Strecke noch menschenleer. Wir stellen uns vor, wie es hier wohl im Sommer aussieht, und sind froh, jetzt, vor der Hochsaison, hier zu sein.

Auf der Fahrt plaudern wir mit einem älteren Albaner, wahrscheinlich dem Besitzer des Hotels neben unserem. Er kümmert sich rührend um uns und verabschiedet sich in Vlorë erst, als er ganz sicher ist, dass wir die Haltestelle des Furgons nach Memaliaj finden werden.

Der Fahrplan im Internet verrät uns, dass der Bus um 12 Uhr abfahren soll. Vorher wollen wir noch an einem Bankomaten Geld beziehen. Bis wir einen finden, der funktioniert, ist es schon beinahe 12 Uhr. Es wird fast ein bisschen stressig – welcher Bus in der langen Reihe ist wohl der richtige?

Ich frage eine Frau, die vor einem Furgon steht, und sofort fühlt sie sich für uns verantwortlich. Sie ruft einer Gruppe Männer etwas zu, einer von ihnen begleitet uns zu einem Mann weiter vorne, und so werden wir weitergereicht, bis wir schliesslich vor dem richtigen Bus stehen.

Gleich ist es zwölf – puh, Glück gehabt!

Aber nein, nur mit der Ruhe. Er fahre erst in einer Stunde, sagt der Chauffeur, wir sollten uns doch noch ins Café nebenan setzen.

Er selber machr es sich auch dort gemütlich.

Und wir lernen: In Albanien geht alles etwas gemächlicher als in der Schweiz.

Aber auch hier kommt man schlussendlich ans Ziel: um 14.15 Uhr erreichen wir glücklich das Dorf Memaliaj.